Union will Diamorphinmodell beerdigen
Dr. Harald Terpe (Grüne): Der Hauptirrtum vieler Unionsabgeordneten besteht darin, dass sie Opiatabhängigkeit in erster Linie als moralische Angelegenheit verstehen.
Dabei ist Opiatabhängigkeit eine schwere chronische Erkrankung. Niemandem käme es in den Sinn, bei anderen chronischen Erkrankungen auf politischer Ebene Therapieziele und Zeiträume - wie von der Union vorgeschlagen - für deren Erreichung zu definieren.
Doch genau dies fordert die Union in ihrem Antrag. Auch die Annahme, nach der Einführung der Diamorphinbehandlung in die Regelversorgung würden 80 000 Patienten in die Therapie drängen, ist Unfug. Dies zeigen nicht nur die Erfahrungen in der Schweiz, sondern auch die des deutschen Modellprojektes zur Diamorphinbehandlung. Diese Behandlung soll keine der bestehenden Therapieoptionen ersetzen. Sie führt auch nicht zur Abstinenz.
Aber sie schafft die zwingende Voraussetzung dafür, dass Patienten für weiterführende Substitutions- und Abstinenztherapien erreichbar werden: nämlich die gesundheitliche und soziale Stabilisierung, die Loslösung aus der Drogenszene.
Diese Patienten konsumieren fast 20 Jahre Heroin. Ein ganzes Spektrum verschiedener somatischer und psychischer Erkrankungen ist die Folge. Die deutsche Heroinstudie wie auch vier weitere große Studien in der Schweiz, in Spanien, in den Niederlanden und in Großbritannien haben belegt, dass sich im Zuge der Behandlung die gesundheitliche Situation der Patienten verbessert.
Die Diamorphinbehandlung gehört zu den am besten evaluierten Therapien der Suchtmedizin. Die klinische und wissenschaftliche Evidenz dieser Behandlung ist belegt. Dennoch will die Union ein neues Modellprojekt. Es ist offensichtlich, dass sie auf Zeit spielt und die Diamorphinbehandlung beerdigen möchte.
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