Ärzte aus Drittstaaten

Unübersichtlich, umständlich, uneinheitlich: Chirurgen fordern Reform des Anerkennungsverfahrens

Den Ärztemangel beklagen und gleichzeitig Interessenten aus dem Ausland kaum zu überwindende bürokratische Hürden in den Weg stellen – das ergibt für den Berufsverband der Chirurgen keinen Sinn.

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Stethoskop auf Landkarte (genauer: auf der des afrikanischen Kontinents).

Ärzte, die nicht aus einem EU-Land oder einem EWR/EFTA-Staat kommen und in Deutschland arbeiten möchten, brauchen viel Geduld.

© Samc / stock.adobe.com

Berlin. Das Anerkennungsverfahren für Ärzte aus Drittstaaten sollte möglichst schnell neu geregelt werden, fordert der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC). Es sei unübersichtlich, umständlich und uneinheitlich, so die Kritik.

„Wir können nicht ständig über den Ärztemangel jammern und gleichzeitig ausländischen Ärztinnen und Ärzten so viele Steine wie möglich in den Weg legen“, kritisiert BDC-Vorstandsmitglied Professor Carsten Krones. Es gelte, die hohe Qualität der ärztlichen Berufsausübung zu wahren und gleichzeitig unnötige bürokratische Hürden für Mediziner aus Drittstaaten abzubauen, so Krones in einer Mitteilung seines Verbandes.

Chirurgen wollen das Verfahren beschleunigen

Eine kürzere Gleichwertigkeitsprüfung und bei Zweifeln eine sich rasch anschließende Kenntnisprüfung analog zum dritten Staatsexamen für deutsche Studenten seien dazu ein guter Einstieg, sagt BDC-Geschäftsführerin Dr. Friederike Burgdorf. Der Gesetzgeber sei gut beraten, die laufende Reform der Approbationsordnung für Korrekturen zu nutzen. „Bei der Prüfung der Qualität einer Ausbildung zum Arzt oder zur Ärztin darf es keine Unterschiede aufgrund der Herkunft oder sonstiger Merkmale geben“, fordert Burgdorf. Ausreichende Sprachkenntnisse seien natürlich weiter nachzuweisen.

Ärzte, die in Deutschland arbeiten wollten und nicht aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR/EFTA) stammten, müssten sich auf große Zeitverluste, regional abweichende Prüfverfahren, Bewertungskriterien und Zuständigkeiten sowie unrealistische Ladefristen einstellen, kritisiert der BDC. Zum europäischen Wirtschaftsraum zählen die EU-Staaten sowie Island, Norwegen und Liechtenstein und über das Freihandelsabkommen EFTA die Schweiz.

Erst muss man ewig warten, dann in fünf Tagen fit sein

„Es kann vorkommen, dass Prüflinge aus Drittstaaten über zwei Jahre auf die Einladung zur Kenntnisprüfung warten und die Einladung dann nur fünf Tage zuvor erhalten“, sagt Krones. So sei eine geordnete Vorbereitung nahezu unmöglich. Für deutsche Studenten wäre eine Mindestfrist von zehn Tagen obligatorisch, so der Chefarzt am Aachener Marienhospital.

Das Anerkennungsverfahren für Approbationen aus Nicht-EWR-Staaten beginne häufig mit einem Antrag auf eine Berufserlaubnis und könne mehrere Jahre dauern, vor allem wenn die erforderlichen Unterlagen mehrmals nicht vollständig oder in nicht ausreichender Form eingereicht würden, so der BDC. Eine temporäre Berufserlaubnis gelte höchstens für zwei Jahre. „Davor ist die Bezahlung arbeitsrechtlich illegal, währenddessen die Bezahlung nicht tarifgebunden. Das kann durchaus zu einer prekären persönlichen Situation führen“, beklagt Krones. Zwar habe das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz den Rechtsanspruch auf die Prüfung und gegebenenfalls Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen rechtlich verankert, die Bearbeiter kämen aber der Antragsflut nicht hinterher.

Krisenregionen eine besondere Herausforderung

Als besonders aufwändig hat sich laut BDC die Prüfung von Anträgen aus Krisenregionen wie Ägypten, dem Irak oder Syrien erwiesen. Bei diesen Ländern sei es häufig schwer, die Echtheit der Zeugnisse und Studiennachweise zu überprüfen. Weil eine zentrale Bewerberregistrierung fehle, habe sich zudem eine Art „Prüftourismus“ entwickelt. Manche Kandidaten reichten ihre Anträge einfach in verschiedenen Bundesländern ein, berichtet BDC-Geschäftsführerin Burgdorf.

Die Qualität der Lehre könne nicht danach beurteilt werden, welchem politischen oder wirtschaftlichen System ein Staat angehöre, sagt Krones. Studenten von derselben ausländischen Universität dürften in der Gleichwertigkeitsprüfung zudem nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden, fordert er.

34.000 Ärzte aus Drittstaaten

Derzeit müssen Medizinabsolventen, die aus einem sogenannten Drittstaat kommen, in Deutschland drei Prüfungen ablegen: einen Sprachtest, eine Gleichwertigkeits- und eine Kenntnisprüfung. Die Gleichwertigkeitsprüfung ist eine Prüfung von Zertifikaten nach Aktenlage. Kommt diese zu keinem Ergebnis, folgt die Kenntnisprüfung am Patienten. Die Approbationsbehörden in den Bundesländern nehmen die in der Bundesärzteordnung geregelte Gleichwertigkeitsprüfung vor. Die mündlich-praktische Kenntnisprüfung erfolgt zwar eigentlich auch durch die Approbationsbehörde, wird aber an die Landesärztekammern und Universitäten delegiert.

Nach Angaben der Bundesärztekammer kamen Ende vergangenen Jahres von etwa 537 .000 Ärzten in Deutschland circa 61 .000 aus dem Ausland. Etwa 34 .000 stammten aus Drittstaaten. Die meisten kamen aus Syrien – 5300 –, 2600 aus Russland und 1900 aus der Ukraine. (chb)

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Kommentare
Prof. Dr. Jan-Peter Jantzen 07.07.202113:54 Uhr

Qualifizierte Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt ist notwendig und wünschenswert. Das gilt in erster Linie für Mangelberufe, zumal im Sinne von mangelnder heimischer Nachfrage nach derartiger beruflicher Tätigkeit. Standardbeispiel ist die Altenpflege. Auf den Arztberuf trifft das nicht zu. Die Nachfrage nach Studienplätzen ist ganz erheblich und seit Jahrzehnten ungebrochen. Mit einer Abiturnote von "schlechter" als 1,5 jedoch recht aussichtslos. Die adäquate Reaktion darauf muß in erster Linie die bedarfsgerechte Ausweitung der Studienkapazität sein. Deutschland liegt mit einer relativen Anzahl von 12 Medizinabsolventen je 100.000 Einwohner unter dem OECD-Schnitt von 13,1 je 100.000 (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6706/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-medizinstudenten/). Warum muß das so bleiben?
Es mach m.E. wenig Sinn, einen einheimischen 1,5-Abiturienten vom Arztberuf auszuschließen, um dafür KollegInnen aus anderen Ländern mit teilweise weniger transparenter Qualifikation anzuwerben.

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