Wahl in Baden-Württemberg

Vage Rezepte gegen Landarztmangel und Co.

In Baden-Württemberg wird am Sonntag gewählt. Im Wahlkampf ist die Gesundheitspolitik nur Randthema. Obwohl die künftigen Herausforderungen groß sind, bleiben die Antworten der Parteien unbestimmt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Kann mit dem Bonus des "Landesvater" Wahlkampf machen: Der amtierende Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne).

Kann mit dem Bonus des "Landesvater" Wahlkampf machen: Der amtierende Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne).

© Marijan Murat / dpa

STUTTGART. Die einstige "Öko-Partei" schickt sich in Baden-Württemberg an, das bürgerliche Lager zu erobern. Umfragen sehen die Grünen wenige Tage vor der Landtagswahl vor der CDU. Vor fünf Jahren wurden die Christdemokraten noch mit 39 Prozent stärkste Fraktion im Landtag.

Doch ob es zu einer Wiederauflage der grün-roten Koalition kommt, ist ungewiss. Zwar sind die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann zur Volkspartei aufgestiegen.

Doch könnte die SPD, bei der letzten Wahl mit 23 Prozent zum Juniorpartner degradiert, Umfragen zufolge auf bis zu 15 Prozent schrumpfen - zu wenig für eine Mehrheit mit den Grünen.

Zumal im Landtag vermutlich auch die FDP wieder vertreten sein wird. Die AfD wird auf zehn bis 13 Prozent taxiert und dürfte erstmals ins Parlament einziehen.

Wahlergebnis 2011

CDU: 39 Prozent

Grüne: 24,2 Prozent

SPD: 23,1 Prozent

FDP: 5,3 Prozent

Wie in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt dominiert die Flüchtlingskrise die Debatte und drängt damit auch gesundheitspolitische Themen in den Hintergrund. Dabei hat Landesgesundheitsministerin Katrin Altpeter (SPD) mehrere gesundheitspolitische Baustellen angepackt:

Krankenhäuser: Die stationäre Versorgung im Südwesten ist im Vergleich sehr kleinteilig -  viele kommunale Krankenhäuser mit wenigen Betten. Fast 50 Prozent der 221 Kliniken im Südwesten schreiben laut "Krankenhaus-Rating-Report" des RWI Verluste, rund 22 Prozent der Häuser arbeiten sogar unter erhöhter Insolvenzgefahr.

Die grün-rote Landesregierung hat die Klinikinvestitionen seit 2011 von 382 Millionen auf 455 Millionen Euro im laufenden Jahr erhöht. Nach Berechnung des RWI müssten pro Jahr eigentlich 700 Millionen Euro investiert werden.

Wie eine künftige Regierung die strukturellen Probleme im stationären Sektor angehen will, bleibt unklar. Das macht der "Wahlcheck Gesundheit" der Techniker Kasse deutlich, in dem die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen befragt wurden.

Soll in der Landeskrankenhausplanung gelten: Qualität hat Vorrang vor der Wohnortnähe? Für Stefan Teufel (CDU) sind Qualität und Erreichbarkeit "die wichtigsten Eckpfeiler" - ohne Vorrang des einen vor dem anderen.

Bärbl Mielich (Grüne) hält die bestehenden Qualitätskriterien nicht für überzeugend. Qualität könne erst dann Planungskriterium werden, "wenn klar ist, welche Qualität wie gemessen werden soll". "Ja" sagt Rainer Hinderer (SPD) zu einem Vorrang der Qualität. Allerdings müsse die Wohnortnähe in der Grund- und Notfallversorgung eine "wichtige Rolle haben".

Aus Sicht von Jochen Haußmann (FDP) ist bei planbaren Eingriffen der Vorrang für Qualität "zweifellos richtig". Doch in der Fläche sei ein stationäres Mindestangebot nötig - gegebenenfalls "mit Sicherheitszuschlägen".

Ambulante Versorgung: Baden-Württemberg hat die älteste Hausärzteschaft bundesweit, 34 Prozent von ihnen sind über 60 Jahre alt. Von den derzeit 7106 praktizierenden Hausärzten sind 3681 laut dem neuen Versorgungsbericht der KV über 55 Jahre. Pro Jahr schließen derzeit 140 bis 150 Ärzte ihre Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin ab.

Die Landesregierung versucht gegenzusteuern: Im vergangenen Dezember wurde der Weg freigemacht für eine flexiblere hausärztliche Bedarfsplanung. Sie erlaubt, von der regulären, auf Mittelbereiche fokussierten Bedarfsplanung abzuweichen, um Gemeinden zu helfen, die mit Hausarztmangel zu kämpfen haben.

Mitte 2012 hat das Sozialministerium ein Förderprogramm für Landärzte aufgelegt, das mit insgesamt rund zwei Millionen Euro ausgestattet ist.

Abhängig von der Region kann ein Hausarzt oder Pädiater bis zu 30.000 Euro erhalten, wenn er sich in einer Gemeinde niederlässt, in welcher der Versorgungsgrad (gemessen als Einwohner- zu Arztrelation) unter 75 Prozent liegt. Bis November 2015 sind 48 Anträge mit einer Gesamtfördersumme von etwas über einer Million Euro beschieden worden.

Die Parteien geben sich mit Blick auf die Zukunft der ambulanten Versorgung eher wortkarg. Stefan Teufel (CDU) wirbt im "TK-Wahlcheck" für ein Stipendienmodell für Medizinstudierende: Geld gegen die Verpflichtung, sich später auf dem Land niederzulassen.

Bärbl Mielich (Grüne) sieht primär die KV für die Sicherstellung in der Pflicht. Mehr Medizinstudienplätze - derzeit sind es landesweit 1529 - lehnt sie ab.

Ähnlich positioniert sich Rainer Hinderer (SPD). Das Land könne nur komplementär helfen, "wesentliche finanzielle Anreize" für die ambulante Versorgung auf dem Land müssten "aus dem Budget der KV erbracht werden". Im Land würden genügend junge Ärzte ausgebildet, man müsse nur verhindern, dass sie den Südwesten verlassen.

Für Jochen Haußmann (FDP) ist eine "konzertierte Aktion" nötig, um die hausärztliche Versorgung auf dem Land zu sichern. Er wirbt für eine "Neuausrichtung" des Zugangs sowie der Gestaltung des Studiengangs Humanmedizin.

CDU steht "kritisch" zur Pflegekammer

Telemedizin: Sie soll "zügig ausgebaut" und entsprechende Leistungen in der GKV "besser anerkannt" werden.

Gesundheitsberufe: Stefan Teufel unterstützt das Positionspapier der AG Gesundheit der Unions-Bundestagsfraktion. Darin wird dafür plädiert, Heilmittelerbringer "direkter in die Versorgung einzubinden".

Pflegekammer: Ihre Einrichtung sieht die CDU "kritisch" und will erst "die Erfahrung anderer Länder abwarten". (fst)

SPD: Nichts gegen Modellprojekte zum Direktzugang

Telemedizin: Sie bietet "große Chancen in Diagnostik und Therapie", meint Rainer Hinderer im "Wahlcheck" der TK. Die Selbstverwaltung sei "stark genug", Hürden für ihren Einsatz abzubauen.

Gesundheitsberufe:Die SPD will Modellprojekten für einen Direktzugang zu den nicht-ärztlichen Heilberufen "nicht im Wege stehen", sie aber nicht von sich aus vorantreiben.

Pflegekammer:Wenn die Mehrheit der Beschäftigten Ja sagt, unterstützt die SPD ihre Einrichtung. (fst)

Grüne sagen Ja zur Pflegekammer

Telemedizin: Die Grünen sehen sie als "wichtige Ergänzung der Gesundheitsversorgung", erklärt Bärbl Mielich im "Wahlcheck" der TK. Wichtig sei, dass es zunächst einen ärztlichen Erstkontakt gibt. Gesundheitsberufe: Deren Zusammenarbeit müsse gestärkt werden. Die Grünen unterstützen die Forderung vor allem von Physiotherapeuten, den Direktzugang zu erproben.

Pflegekammer: Einrichtung wird von den Grünen unterstützt. (fst)

FDP: "Genug erprobt" bei der Telemedizin

Telemedizin: Jochen Haußmann meint im "Wahlcheck" der TK, es sei "genug erprobt" worden. Telemedizin müsse in den GKV-Leistungskatalog.

Gesundheitsberufe: An der freiheitlichen Tätigkeit als Leitbild soll festgehalten werden. Modellprojekte des Direktzugangs zu nicht-ärztlichen Heilberufe böten Chancen, "Neues zu entdecken".

Pflegekammer: Entwicklung in anderen Ländern soll bis Ende 2019 beobachtet werden. (fst)

AfD: DRG-System soll "auf den Prüfstand"

Ambulante Versorgung: Niedergelassene Ärzte auf dem Land sollten gefördert und das Vergütungssystem "angepasst" werden. Wo dies nicht reicht, sollen MVZ die Versorgung sichern. Zusätzliche Medizinstudienplätze soll es für Bewerber geben, die zusagen, später auf dem Land zu arbeiten.

Kliniken: Das DRG-System müsse komplett auf den Prüfstand. Eine Rückkehr zu individuellen Klinikbudgets "darf nicht ausgeschlossen werden". (fst)

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