Rechte verletzt?

VdK will bessere Pflege einklagen

Die Zustände in Pflegeheimen verletzen die Grundrechte vieler Bewohner, findet der VdK - und kündigt Klage beim Bundesverfassungsgericht an. Damit will der Sozialverband auch den Politikern beim Thema Pflege Beine machen. Der Gang vor Gericht stößt in der Politik auf ein geteiltes Echo.

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Der Staat verletzt seine Fürsorgepflicht für Menschen in Pflegeheimen, sagt der VdK und will in Karlsruhe klagen.

Der Staat verletzt seine Fürsorgepflicht für Menschen in Pflegeheimen, sagt der VdK und will in Karlsruhe klagen.

© Sven Hoppe / dpa

BERLIN. Die Pflegereform von Schwarz-Rot könnte schon kurz nach dem Start vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Der Sozialverband VdK werde im August eine Klageschrift in Karlsruhe einreichen, hat der Verband der "Ärzte Zeitung" auf Anfrage am Donnerstag bestätigt.

Die Opposition nutzte die Nachricht für Kritik an der Pflegepolitik der Regierung: "Der Gang nach Karlsruhe ist, unabhängig von einer juristischen Bewertung, vor allem als ein Zeichen des vehementen Protests gegen die politische Lethargie im Bereich Pflege zu verstehen", sagte die pflegepolitische Sprecherin der Linken, Pia Zimmermann, der "Ärzte Zeitung".

Man könne von einem Skandal sprechen, dass die Pläne für einen neuen Pflegebegriff und ein neues Begutachtungsverfahren nicht endlich umgesetzt würden.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geht davon aus, dass beides 2017 eingeführt werden könne. Zuvor sollen das neue Begutachtungsverfahren und seine Auswirkungen auf Pflegebedürftige und Pflegende getestet werden.

Scharfenberg kann VdK verstehen - Spahn tut das nicht

Diese Schrittfolge lässt die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, zweifeln. Sie finde das Vorgehen des VdK sehr nachvollziehbar, sagte sie der "Ärzte Zeitung". Die Erfahrung zeige, dass sich neue Gesundheitsminister in Ankündigungen ergingen, die während der Regierungszeit zu bloßen Nachbesserungen schrumpften.

"Misstrauen an Gröhes größter Pflegereform aller Zeiten ist angebracht, zumal der Kern der Reform, der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, nicht im Gesetzentwurf steht, sondern erst in einem zweiten Schritt kommen soll", sagte Scharfenberg.

Jens Spahn (CDU) wandte sich dagegen, das Verfassungsgericht politisch zu instrumentalisieren: "Ich finde es befremdlich, dass alle nur noch nach dem Verfassungsgericht rufen, anstatt politisch für Mehrheiten zu kämpfen", sagte Spahn der "Ärzte Zeitung".

Außerdem werde es der Lage in Deutschland und dem Einsatz tausender Pflegekräfte nicht gerecht, pauschal das System so zu diskreditieren.

Der VdK hofft auf einen Entscheid, der den Gesetzgeber zwingt, seine Schutzpflicht zum Beispiel gegenüber Demenzkranken zu erfüllen.

Die Regierungskoalition plant in den kommenden vier Jahren eine schrittweise Reform des Pflegesystems , zu der mehr Leistungen für Demenzkranke, mehr Personal und eine Aufwertung der Pflegeausbildung zählen sollen .

VdK: "Schutzpflicht des Staates"

Die Verantwortlichen beim VdK fürchten dagegen, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff in dieser Legislaturperiode nicht umgesetzt wird. Die Verfassungsbeschwerde gehe aber darüber hinaus: "Hier geht es nicht nur um mehr Geld für Demenzkranke, sondern auch um eine andere Verantwortung für alle Heimbewohner", teilt der mit 1,7 Millionen Mitgliedern größte Sozialverband in Deutschland mit.

Pflegeheimbewohner könnten ihre Rechte nicht immer selbstständig wahrnehmen. Daher müsse der Staat dafür sorgen, dass sie vor Gewalt und Vernachlässigung geschützt seien.

Den Stein ins Rollen gebracht hat im vergangenen Jahr die Juristin Susanne Moritz. Sie hatte in ihrer Dissertation festgestellt, dass es in der Pflege systematische Grundrechtsverletzungen gebe.

Nicht zuletzt der Mangel an ausgebildeten Pflegefachkräften führe zu körperlicher Gewalt gegen Heimbewohner. Medikamente würden missbraucht, um Pflegebedürftige ruhigzustellen.

Das Gesundheitsministerium hat die Unterstellungen am Donnerstag gegenüber der "Ärzte Zeitung" zurückgewiesen. Die Mehrzahl der Heime biete eine gute Betreuung. Die angesprochene Dissertation zeichne ein veraltetes Bild der Pflege.

Die Klageschrift für den VdK arbeitet Alexander Graser aus, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg. (af)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kein Anspruch auf Gesetze

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