KBV
Vertrag für pflegende Angehörige entwickelt
Eine in die Millionen zählende Patientengruppe wird medizinisch nicht ausreichend betreut: pflegende Angehörige. Die KBV will gegensteuern und setzt auf die Hausärzte.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Rücken zwickt, die Knie schmerzen, die Seele leidet. Menschen, die Angehörige oder Freunde pflegen, sind oft selbst krank. Nicht immer vertrauen sie sich ihrem Arzt an.
Laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) spricht nur etwa jeder zweite aus dieser Gruppe über seine Nöte mit dem Arzt.
70 Prozent fühlen sich demnach durch die Pflegesituation gefühlsmäßig stark belastet. Etwa 3,7 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Die Zahl der pflegenden Zugehörigen dürfte dementsprechend groß sein. Bekannt ist sie aber auch dem Angehörigenverband "wir pflegen" nicht.
"Die ganze Gesellschaft kann betroffen sein", sagte Verbandsvorsitzende Dr. Hanneli Döhner bei der Vorstellung eines neuen Versorgungskonzeptes der KBV am Dienstag in Berlin. "Die Antenne des Hausarztes ist wichtig, um die Betroffenen zu identifizieren", betonte Döhner.
Belastungen durch jahrelange Pflege senken Lebenserwartung
Dabei handelt es sich um ein Präventionsangebot für pflegende Zugehörige. Sie sollen laut dem Vertragsentwurf eine Beratung von ihrem Hausarzt erhalten sowie gezielt über Unterstützungsangebote informiert werden.
Als Zusatzqualifikation der Ärzte ist die Berechtigung zur "psychosomatischen Grundversorgung" oder eine gleichwertige Qualifikation gefordert. Die Leistungen der Ärzte werden mit 85 Euro im Jahr extrabudgetär vergütet.
Die gesundheitliche Situation pflegender Zugehöriger ist prekär. Die Inzidenz von Wirbelsäulenerkrankungen liege in dieser Gruppe 30 Prozent über der von nicht pflegenden Gleichaltrigen, die Inzidenz von Depression sogar um 40 Prozent, sagte KBV-Hausärztevorstand Regina Feldmann.
Die Belastungen durch jahrelange Pflege senke die durchschnittliche Lebenserwartung dieser Menschen um bis zu sechs Jahre.
Ein unterschätzter Auslöser von gesundheitlichen Störungen, etwa Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-System, seien die ständigen Unterbrechungen der Nachtruhe, sagte Professor Thomas Lichte, Landarzt und Autor der Leitlinie "Pflegende Angehörige" der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM).
Niederschwellige Angebote erleichterten es den Betroffenen, über ihre Leiden zu sprechen. In der Regel seien dies gut geschulte Assistenten in der Praxis. (af)