Vetternwirtschaft? Gutachten entlastet DSO nur teilweise
Die Organspende-Neuregelung wird von drastischen Vorwürfen gegen den Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation überschattet. Die Rede ist von Vetternwirtschaft und Selbstbedienungsmentalität. Ein Gutachten sollte für Aufklärung sorgen - liefert aber keinen eindeutigen Freispruch.
Veröffentlicht:BERLIN (sun/af/jvb/nös). Der Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) soll gegen die Geschäftsordnung der Stiftung verstoßen haben.
Das geht zumindest aus einem vertraulichen Gutachten der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Hamburg hervor, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt und am Mittwoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Gesundheitsausschuss des Bundestages beraten wurde.
Die Stiftung habe 2007 für die Ausstattung der rund 80 Arbeitsplätze in ihrer neuen Zentrale am Frankfurter Deutschherrenufer 530.000 Euro ausgegeben, ohne die Genehmigung des Stiftungsrates einzuholen, heißt es in dem Gutachten.
Die Geschäftsordnung verlange allerdings, dass für Aufträge ab 500.000 Euro eine solche Genehmigung eingeholt werden muss. Der Vorstand habe die Bestellung gesplittet: einmal auf einen Wert von 490.000 Euro und schließlich 40.000 Euro. Das Controlling sei nicht informiert gewesen.
Zudem soll sich der kaufmännische Leiter der Stiftung, Dr. Thomas Beck, auf Firmenkosten einen Montblanc-Füller für 323 Euro gekauft haben. Seine Begründung: Ihm sei auf einer Dienstreise ein privater Füller gestohlen worden.
Beck verwies auf die "geübte Praxis" bei solchen Fällen innerhalb der DSO. Die Wirtschaftsberater kommen allerdings zu einem anderen Schluss: In der Vergangenheit seien den Mitarbeitern bei solchen Fällen die Verluste mit dem Gehalt erstattet worden.
Keine abschließende Bewertung
Ein Fehlverhalten des Vorstands, insbesondere von Beck, sei in den Fällen aber nicht zu erkennen, heißt es in dem Papier weiter.
Vorwürfe gegen die DSO
Im Oktober und Dezember 2011 erreichten eine Email und ein Schreiben anonymen Absenders unter anderem Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Darin wurde dem Vorstand der DSO, vor allem dem kaufmännischen Vorstandsmitglied Dr. Thomas Beck, "Vetternwirtschaft" und "Selbstbedienungsmentalität" vorgeworfen. Die Arbeitsatmosphäre wurde als "nach Gutsherrenart" beschrieben. Die Sachverhalte wurden mit der gesunkenen Zahl der Organspenden in Zusammenhang gebracht. Bahr hatte daraufhin den Stiftungsrat angewiesen, die Vorwürfe klären zu lassen.
Die DSO ist seit zwölf Jahren zuständig für die Organentnahmen in Deutschland und die Verteilung. Dafür erhält die Stiftung rund 44 Millionen Euro von den gesetzlichen Krankenkassen. Das Transplantationsgesetz wird derzeit novelliert. Ziel ist es, mehr Organe zu gewinnen. Etwa 12.000 Menschen warten derzeit in Deutschland auf ein Spenderorgan.
Aber auch die Dienstreise an sich lässt Fragen offen.
Obwohl sie nach Hamburg ging, fanden die Wirtschaftsprüfer im Zeitraum Ende 2006 bis Anfang 2007 nur eine Übernachtung – in Leipzig.
In Los Angeles sollten Plakatmotive für die Treuhandstiftung „Fürs Leben“ der DSO geschossen werden. „Die Vor-Ort-Teilnahme ... stellt einen dienstlichen Anlass dar", halten die Wirtschaftsprüfer fest. Allerdings gehen sie nicht darauf ein, wie wirtschaftlich es ist, ein Fotoshooting 9300 Kilometer von Deutschland entfernt zu machen.
Gutachten stützt sich auf „ausgehändigte Daten“
Die Wirtschaftsprüfer betonen aber auch, dass sie sich auf „ausgehändigte Daten und Unterlagen“ sowie „mündliche Auskünfte“ stützen, deren Richtigkeit sie „nicht abschließend beurteilen“ könnten.
Sie schließen auch nicht aus, dass sie bei Kenntnis weiterer Informationen „zu einem anderen Ergebnis gekommen wären“. Auch die meisten Mitglieder des Gesundheitsausschusses stellte die Arbeit der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus Hamburg nicht zufrieden.
Vielen Politikern stößt der Eindruck auf, die DSO sei eine geschlossene Gesellschaft.
„Wir erwarten maximale Transparenz von der DSO. Organspende ist ein heikles Thema, da darf nicht die kleinste Ungereimtheit offen bleiben“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Jens Spahn, der „Ärzte Zeitung“.
Die Linke kündigte an, die Auslagerung der Kompetenzen für die Organspende an eine private Stiftung zum Thema zu machen. „Die Stiftung ist nicht in der Lage oder Willens, Transparenz herzustellen, sagte die Gesundheitspolitikerin Kathrin Vogler der „Ärzte Zeitung“.
Die intransparenten Strukturen der DSO treiben auch die Grünen um. "Der Stiftungsrat, der wie ein Aufsichtsrat einer Firma fungiert, muss erkennen, dass es bei den Vorwürfen nicht um eine Petitesse gehe", sagte der Organspende-Experte der Grünen, Dr. Harald Terpe.
Es gehe um nicht weniger als einen Vertrauensbruch gegenüber den Spendern, die einfach gerne wissen wollten, wem sie ihre Organe anvertrauten. Die DSO habe vom Staat eine öffentliche Aufgabe übertragen bekommen und genieße quasi Behördenstatus.
Es müsse daher auch darüber nachgedacht werden, ob die Verwaltung der Organentnahme in Deutschland überhaupt noch mit der DSO zu machen sei, sagte Terpe.
DSO lässt sich bei Kommunikationsproblemen beraten
Gegen die Anschuldigungen verteidigt sich der Vorsitzende des Stiftungsrates, Dr. Wolf-Otto Bechstein. Sein Aufsichtsgremium, in dem auch die Kassen vertreten sind, sei nicht in das operative Geschäft der DSO involviert, sagte er der „Ärzte Zeitung“.
Der anonyme E-Mail-Schreiber hatte auch von einer Arbeitsatmosphäre berichtet, in der die DSO-Vorstände "nach Gutsherrenart" agierten. "Die DSO agiert in einem schwierigen Umfeld. In diesem Spannungsfeld entstehen Kommunikationsprobleme", sagte der medizinische Leiter der DSO, Professor Günter Kirste, der "Ärzte Zeitung".
Eine Kommunikationsberatungsfirma habe vor kurzem angefangen, diese Probleme innerhalb der DSO-Zentralen in Frankfurt und den Regionalbüros anzugehen.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: In der DSO wird "gewulfft"