Organspende

Von Spanien lernen!

Die Zahl der Organspender in Deutschland steigt langsam wieder. Zwischen Angebot und Bedarf klafft aber weiter eine große Lücke. In Spanien sieht das ganz anders aus. Was können wir uns vom "Spanischen Modell" abgucken - und was besser nicht?

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Eine zur Transplantation entnommene Spender-Niere wird verpackt.

Eine zur Transplantation entnommene Spender-Niere wird verpackt.

© Horizont21 / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Die Spenderzahlen in Deutschland erholen sich offenbar von dem Tief, das im Zuge des Organspendeskandals eingetreten war.

In der Statistik der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) sind im ersten Quartal 2015 insgesamt 242 postmortale Organspender verzeichnet, verglichen mit 230 im ersten Quartal 2013 und 204 für das Jahr 2014.

2012 hatte die Zahl im Vergleichszeitraum bei 281 gelegen. Von Januar bis April 2015 schließlich gab es 295 Organspender gegenüber 287 im Vorjahr.

Diesen Zahlen stehen allerdings mehr als 10.000 Menschen in Deutschland gegenüber, die auf ein Spenderorgan warten. Bundesweit sind laut DSO im vergangenen Jahr 892 Patienten gestorben, die auf einer Warteliste für ein Organ gestanden hatten.

Die erhebliche Differenz zwischen dem Bedarf an Spenderorganen und dem vorhandenen Angebot wird sich auch durch die neuerlich wieder steigenden Spenderzahlen nicht ausgleichen lassen.

In den Diskussionen, wie sich die Situation verbessern ließe, wird immer wieder auf Spanien verwiesen. Das Land gilt, was Organspenden angeht, weltweit als Vorbild.

Mit rund 35 Spendern je Million Einwohner liegt Spanien klar vor Deutschland, wo die Zahlen in den vergangenen Jahren zwischen 10,7 und 15,5 pro Million schwankten. Für den Eurotransplantraum stehen zwischen 14,4 und 16,9 je Million zu Buche.

Der spanische Erfolg wird häufig darauf zurückgeführt, dass dort eine Widerspruchsregelung für Organspenden existiert. Damit kommt prinzipiell jeder als Organspender infrage, der sich nicht explizit dagegen ausspricht. Allerdings gibt es eine solche Regelung auch in sechs der acht Mitgliedsländer von Eurotransplant.

Doch nur die Zahlen für Kroatien mit rund 32 bis 34 Spendern je Million Einwohner nähern sich den spanischen Raten. Ungarn erreicht trotz Widerspruchsregelung nur Quoten in der Größenordnung der deutschen und niederländischen Zahlen, wo eine Entscheidungs- oder Zustimmungslösung gilt.

Und auch Luxemburg pendelt trotz Widerspruchsregelung lediglich zwischen 6 und 15 Spendern je Million Einwohner.

In Deutschland würden 71 Prozent Organe spenden

Dennoch scheint manches für eine Widerspruchsregelung in Deutschland zu sprechen. In einer Anfang Juni von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veröffentlichten Umfrage unter 4002 Personen zwischen 14 und 75 Jahren äußerten 80 Prozent eine positive Einstellung zur Organ- und Gewebespende.

71 Prozent wären einverstanden, wenn ihnen nach dem Tod Organe oder Gewebe entnommen würden. Aber nur 35 Prozent gaben an, einen Organspendeausweis zu besitzen. Es liegt nahe zu vermuten, die Diskrepanz, die sich in diesen Zahlen ausdrückt, ließe sich durch eine Widerspruchslösung überwinden.

Doch auch das lässt sich am Beispiel Spaniens lernen: Eine Widerspruchsregelung allein katapultiert die Spenderzahlen nicht nach oben. Denn die Regelung gibt es dort schon seit 1979. Noch im Jahr 1989 lag die Spenderquote aber nur bei 14 je Million Einwohner.

Erst ab 1990 nahmen die Organspenden stark zu - nach der Gründung der Nationalen Organisation für Organtransplantation, ONT. Sie etablierte das "Spanische Modell".

Worin dessen wesentliches Element besteht, unterstrich ONT-Direktor Rafael Matesanz schon vor zwei Jahren in einem Gespräch mit der Schweizer Nachrichtenplattform "swissinfo": "Das Schlüsselwort des spanischen Modells heißt Organisation."

Widerspruchsregelung allein reicht nicht

Dazu gehört eine dreistufige Transplantationskoordination auf Klinik-, regionaler und nationaler Ebene, ergänzt um strukturelle Maßnahmen, wie die kontinuierliche Prüfung der Fälle von Hirntoten auf Intensivstationen, und rechtliche Regelungen, zu denen die Widerspruchsregelung zählt.

Doch Matesanz rät, die Widerspruchsregelung nur dort einzuführen, wo ein allgemeiner Konsens herrsche. Viele Menschen könnten die Vorschrift als Zwang empfinden. "So erreicht man manchmal genau das Gegenteil", meint der ONT-Direktor.

Die spanischen Erfahrungen könnten ein Anlass dafür sein, hierzulande weniger darüber zu debattieren, welche gesetzliche Vorgabe denn nun angebracht sei - Entscheidungs-, Zustimmungs- oder Widerspruchsregelung. Zweckmäßiger wäre es, sich Gedanken über die Organisation respektive den Mangel daran zu machen.

Matesanz räumt ein, es sei "kein Pappenstiel", in Ländern wie Deutschland mit einem dezentralisierten Gesundheitssystem ein nationales Programm zur Organtransplantation einzuführen.

Vom bloßen Installieren einer Widerspruchsregelung verspricht er sich jedenfalls nicht viel: "Es gibt keinen einzigen Fall auf der Welt, wo die Zahl der Spender allein durch eine Gesetzesänderung zugenommen hat."

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