Impfen als Prävention
Wer nicht hören will, den soll die Kita künftig melden
Prävention mit Drohgebärden: Mütter und Väter, die keine verpflichtende Impfberatung wahrnehmen wollen, müssen bereits mit einem Bußgeld rechnen. Künftig will das Bundesgesundheitsministerium aber auch die Kindertageseinrichtungen einspannen, um die Verweigerer herauszufischen. Kita-Leitungen sollen verpflichtet werden, die entsprechenden Namen den Gesundheitsämtern zu melden.
Veröffentlicht:Der Druck auf Impfskeptiker wächst: Künftig sollen die Erzieherinnen in Kindertagesstätten dazu verpflichtet werden, Eltern beim örtlichen Gesundheitsamt zu melden, wenn diese sich nicht zum Impfen beraten lassen wollen. So steht es im Entwurf des "Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten" (Epidemiologie-Gesetz). Nächste Woche wird darüber der Bundestag entscheiden. Und wenn der Bundesrat Anfang Juli ebenso zustimmt, könnte die Neuregelung noch im Sommer in Kraft treten. "Um die Impfraten zu steigern, braucht es mehr als Appelle", rechtfertigt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) das Vorgehen.
Die Furcht vor plötzlich auftretenden Infektionskrankheiten ist immer wieder groß. Mitte Mai war eine junge Mutter in Essen an den Folgen einer Masernerkrankung gestorben. Nach Angaben des örtlichen Gesundheitsamtes war die 37-Jährige als Kind nur einmal geimpft worden. So entsprach es den damaligen Empfehlungen. Heute stufen Experten die Generation der Jahrgänge 1973 bis 1991 als eine Gruppe mit gefährlichen Impflücken ein. Laut Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) tragen sie entscheidend dazu bei, dass es immer wieder zu schweren Krankheitsausbrüchen kommt.
Impfschutz erfolgt häufig zu spät
Laut BMG sind die Impfquoten bei Masern in der Tendenz steigend. 92,8 Prozent der Schulanfänger hatten 2015 die wichtige zweite Masern-Impfung erhalten und gelten somit als vollständig geschützt. Im Vorjahr waren es etwa genauso viele. Das sind durchaus beachtliche Zahlen, doch aus Sicht der Impfexperten reichen sie nicht. Fachleute sprechen erst dann von einer Elimination der Masern, wenn die Quote für beide Impfungen bei 95 Prozent liegt. Dies erreichen jedoch bislang nur die Schulanfänger in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher betont zudem, dass in der Statistik nur jene Mädchen und Jungen berücksichtigt werden, die einen Impfausweis vorlegen können. Bei rund sieben Prozent eines Jahrgangs fehle dieser jedoch. Eine vollständige Masern-Impfung bei Schuleintritt sei eigentlich zu spät, um sich und andere wirksam zu schützen. Beide Impfungen sollten bis zum Ende des zweiten Lebensjahres erfolgt sein. Dies sei jedoch 2015 nur bei 73,7 Prozent des Geburtsjahrganges 2013 der Fall gewesen.
Mit dem Epidemiologie-Gesetz soll nun schon im Kita-Alter eingegriffen werden. "Es versetzt die Gesundheitsämter in die Lage, gezielt auf Eltern zuzugehen, die die Impfberatung verweigern", sagt Gröhe. Schon im Präventionsgesetz war der Impfschutz umfangreich berücksichtigt worden. Demnach sollen Impfberatungen nicht nur bei allen Gesundheits-Routineuntersuchungen von Erwachsenen und Kindern erfolgen, sondern wurden auch vor dem Kita-Eintritt des Nachwuchses zur Pflicht. Eltern müssen seither gegenüber der Kita belegen, dass sie eine entsprechende ärztliche Beratung wahrgenommen haben oder diese gegebenenfalls nachholen.
Ohne Nachweis droht ein Bußgeld
Im Infektionsschutzgesetz wiederum ist definiert, dass es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt, wenn eine Mitteilung gar nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig eingeht. Der Nachweis über eine ärztliche Impfberatung bei der Aufnahme in eine Kita gehört dazu, heißt es im BMG. Mütter und Väter, die nicht hören wollen, müssen also bereits zahlen. Gesundheitsämter dürfen Bußgelder in Höhe von 2500 Euro verhängen, wenn sich Eltern hartnäckig gegen eine Aufklärung wehren.
Ob die geplante Verschärfung zum Impfschutz Gesetz wird oder nicht, hat mit Sinn oder Unsinn von Impfungen wenig zu tun. Vielmehr geht es um die Frage, ob mehr Druck auch zu mehr Prävention führt. Vertreter des Bundesrates kritisieren vor allem die Meldepflicht, die den Kitas mit dem Gesetz auferlegt wird. So hatte der Ausschuss für Frauen und Jugend dem Bundesrat im Februar sogar empfohlen, den Passus zur Einbindung der Kita einfach zu streichen. "Die vorgesehene Regelung ist nicht sachgerecht. Es ist nicht Aufgabe der Leitung von Kindertageseinrichtungen, dem Gesundheitsamt personenbezogene, gesundheitsspezifische Daten zu übermitteln", heißt es in der Begründung. Zudem lebe eine qualitativ gute Kita-Arbeit von dem "vertrauenvollen Verhältnis" zwischen den pädagogischen Fachkräften und den Eltern. Die geplante Meldepflicht stehe dem Anliegen "diametral" entgegen und könne dazu beitragen, dass Eltern ihre Kinder nicht in einer Kita anmelden. Kitaleitungen dürften nicht "zu vermeintlichen Gewährsträgern" für eine nicht bestehende gesetzliche Impfpflicht gemacht werden.