Zukunft der Pflege
"Wir müssen aufhören, brav zu sein"
Mehr Menschen werden pflegebedürftig. Gleichzeitig fehlen immer mehr professionell Pflegende. Die Branche fordert immer lauter Reaktionen aus Gesellschaft und Politik.
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Pflegediskussion: Andreas Westerfellhaus, Pflegerat, Hedwig François-Kettner, Charité, der Chefredakteur der "Ärzte Zeitung", Wolfgang van den Bergh, Dr. Gabriele Polanezky, Graz, und Professor Jürgen Osterbrink, Salzburg (v. li.)
© Pilick
BERLIN. In Österreich gibt es sie längst, die akademisch ausgebildeten Pflegekräfte. In Deutschland kommen die Modellversuche zur Übertragung von Heilkunde auf die Berufsgruppen der Pflege nicht aus den Startlöchern.
Für den Salzburger Pflegewissenschaftler Professor Jürgen Osterbrink ist dieses Manko fahrlässig. "Wenn wir es nicht schaffen, Pflegende auf akademischem Niveau auszubilden, dann sterben Menschen", spitzte der ins Nachbarland ausgewanderte Deutsche seine Thesen zu.
Zahlen aus den USA belegten, dass ein höherer Anteil studierter Pflegekräfte die Mortalität in einem Krankenhaus senken helfe.
Den Vorteil brächte nicht alleine die Erfahrung des an der normalen Pflegeschule ausgebildeten Personals, sondern zunehmend auch die strategischen Fähigkeiten der an der Hochschule ausgebildeten und spezialisierten Fachkräftesagte Osterbrink bei der Auftaktpressekonferenz zum Kongress "Pflege 2013" von Springer Medizin und dem Pflegemagazin "Heilberufe" am Donnerstag in Berlin.
Die Schnittstelle zwischen ärztlichen und pflegenden Berufen ist einer der thematischen Schwerpunkte der Veranstaltung, zu der bis Samstag mehr als 1000 Teilnehmer erwartet werden. Dazu gehört auch die Debatte über die Reform der Pflegeausbildung.
Eine Voraussetzung für eine klare Zuordnung der Aufgaben von Ärzten und Pflegenden bei der Versorgung der Patienten sei das Berufsgesetz Pflege, das die Bundesregierung zwar angekündigt, bislang aber nicht umgesetzt hat, sagte der Präsident des Deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus im Interview mit der "Ärzte Zeitung".
Mehr Mut zum Widerstand forderte die Pflegedirektorin der Charité von der Pflegebranche, Hedwig François-Kettner.
"Wir müssen aufhören, brav zu sein." Der Beruf müsse so attraktiv werden, dass sich mehr Menschen dafür entschieden. "Ohne mehr Personal sind die Pflegemissstände nicht zu bewältigen."
Die Entscheidung des Europäischen Parlaments, den Zugang zu den Pflegeberufen nicht von zwölf Jahren Schulbildung abhängig zu machen, sondern es bei zehn Jahren zu belassen, bezeichneten die Teilnehmer der Pressekonferenz als Fehlentscheidung.
Anders der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Jens Spahn. "Künftig soll überall in Europa gelten: Die Ausbildung zum Krankenpfleger geht über den Weg der dualen Ausbildung oder über einen Studienabschluss", sagte Spahn der "Ärzte Zeitung". Dafür habe sich die Union eingesetzt. Gute Pflege hänge nicht vom Abitur ab.