"KBV 2020"
Wunschkatalog für die ambulante Versorgung
Mit "KBV 2020" will die Spitzenorganisation der Vertragsärzte beschreiben, wie moderne Versorgung aussehen kann. Ihren Wunschkatalog hat die Vertreterversammlung am Montag verabschiedet. Unterdessen äußerte sich KBV-Chef Gassen im Video-Interview mit der "Ärzte Zeitung" zur drohenden staatlichen Zwangsverwaltung.
Veröffentlicht:HAMBURG. Die KBV will Handlungs- und Zukunftsfähigkeit beweisen - nachdem das Bundesgesundheitsministerium in einem vierseitigen Schreiben die Beseitigung rechtswidriger Zustände aus der Ära des ehemaligen KBV-Vorsitzenden Dr. Andreas Köhler angemahnt und die Einsetzung eines Staatskommissars nach Paragraf 79a angedroht hatte.
Der amtierende KBV-Chef Gassen sagte im Video-Interview mit der "Ärzte Zeitung", dass das Schreiben aus dem Gesundheitsministerium "nicht nötig" gewesen sei. "Die Prozesse der Aufklärung in der KBV sind ohnehin im Fluss", so Gassen. Er gehe davon aus, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt würden.
Mit Blick auf die angedrohte Zwangsverwaltung durch den Staat sagte der KBV-Vorsitzende: "Ich hoffe inständig, dass die Politik nicht der Versuchung nachgibt, hier dem aktuellen Spin nachzugeben und Regelungen beschließt, die die Selbstverwaltung massiv schwächen und über Kurz oder Lang überflüssig machen."
Er habe aber den Eindruck, dass "ein Großteil der Politiker unverändert auf die Selbstverwaltung setzt".
"Wo wollen wir als KBV hin?"
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Mit erheblicher Intensität hatte die KBV Beschlüsse vorbereitet, die am Montagnachmittag in nichtöffentlicher Sitzung beraten wurden.
Aber jenseits der Aufarbeitung von Altlasten - das dient primär dazu, gesetzliche Fristen einzuhalten und gerichtliche Schritte zur Schadensabwendung einzuleiten - war die öffentliche Sitzung darauf angelegt, vor allem die politische Handlungsfähigkeit der KBV, die effektive Interessenvertretung von 165.000 Vertragsärzten und -psychotherapeuten unter Beweis zu stellen.
"Wir befinden uns in einer Phase, in der die KBV sich neu besinnen muss: Wo wollen wir als KBV hin? Welche Struktur geben wir uns? Was will die KBV erreichen? Was gesteht man uns und der gesamten Selbstverwaltung überhaupt noch zu?", definierte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen die Aufgabenstellung
"Klare Antworten" auf diese Frage soll das in den letzten Monaten in mehreren Klausursitzungen entwickelte Positionspapier "KBV 2020" geben, dessen Eckpunkte der Vorsitzende der Vertreterversammlung, Hans-Jochen Weidhaas, vortrug.
Verschiedene Versicherungstarife
Vier Arbeitsgruppen hatten sich dabei mit den Schwerpunkten Zukunft des Sicherstellungsauftrags, Kooperation mit Krankenhäusern, Koordination der Inanspruchnahme und Attraktivität des Arztberufs befasst.
Damit soll auch zugleich eine gesundheitspolitische Agenda für den Gesetzgeber in der Legislaturperiode ab 2017 entwickelt werden.
Der demografische Wandel und wachsende Multimorbidität erfordern nach Auffassung der KBV eine intensivere Koordination der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen.
Die KBV selbst will dazu ein zentrales Patienteninformationsportal zu häufigen Erkrankungen, insbesondere der typischen Volkskrankheiten entwickeln. Gefragt ist aber vor allem der Gesetzgeber: Er soll verschiedene Versicherungstarife etablieren:
Tarif A: eine hausärztliche Patientenkoordination mit Einschreibung und der Verpflichtung zur Erstinanspruchnahme des Hausarztes.
Tarif B: eine hausärztliche Patientenkoordination ohne Einschreibung; die Überweisung an den Facharzt wegen einer chronischen Krankheit bindet bis zu vier Quartale, wobei die krankheitsbezogene Koordinierung durch den Facharzt erfolgt.
Freier Zugang zu allen Fachärzten, was gegenwärtig Versorgungsstandard ist.
Berufsverbände stärker in KV-Arbeit einbinden
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Neue Tarife müssen aus Sicht der KBV Konsequenzen für die Vergütung haben: Bei vom Hausarzt koordinierter Versorgung müsse die Budgetierung der Facharzt-Honorare entfallen. Bei Hausärzten dürfe es keine fallzahlabhängige Abstaffelung mehr geben.
Die Auseinandersetzung zwischen Haus- und Fachärzten müsse endgültig überwunden werden. Ferner soll es ein kooperatives und koordiniertes Miteinander von Kollektiv- und Selektivverträgen geben.
Berufsverbände sollten stärker in KV-Arbeit eingebunden werden. Um mehr Flexibilität vor Ort zu haben, sollte dereguliert werden; dabei müssten kassenartenspezifische Gesamtverträge wieder möglich werden.
Zur Sicherstellung der Versorgung wird eine bessere Kooperation mit Kommunen und Ländern bei der Infrastrukturplanung angestrebt. Weitreichende Veränderung fordert die KBV im Verhältnis zu Krankenhäusern.
Unter Verweis auf Überkapazitäten und vermeidbare Krankenhausfälle mit einem Kostenvolumen von 7,2 Milliarden Euro müsse ein Teil der Kliniken in ambulante Einrichtungen umgewandelt und frei werdende Mittel dem ambulanten Versorgungsbereich - sprich den KVen - zugeordnet werden.
Die gemeinsame Sicherstellung des Not- und Bereitschaftsdienstes sei eine zu prüfende Option. Die Vergütung müsse extrabudgetär erfolgen.
Die bislang unterschiedlichen Voraussetzungen für die Implementation von Innovationen durch Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses - Erlaubnisvorbehalt für die ambulante Versorgung, Verbotsvorbehalt für die stationäre Versorgung müsse harmonisiert werden.
Verbesserungsbedarf sieht die KBV in der Zusammenarbeit bei der ärztlichen Weiterbildung.