Reaktionen auf Datenerhebung der Ärzte Zeitung

Ärzte im Rentenalter zum Weiterarbeiten bewegen: Reinhardt fordert unbürokratische Anreize

„Vielleicht ein Drittel bis zur Hälfte“: So schätzt das Zi das Rückkehrpotenzial älterer Ärzte aus dem Ruhestand ein. Das wären etwa 14.000 bis 21.000 Mediziner. Auch BÄK-Chef Reinhardt fordert von der Politik, Anreize zu setzen.

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Die Politik sollte über steuergesetzliche und sozialversicherungsrechtliche Regeln nachdenken, um die Rückkehr aus dem Ruhestand für Ärzte attraktiv zu machen: Das ist der Appell von BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt.

Die Politik sollte über steuergesetzliche und sozialversicherungsrechtliche Regeln nachdenken, um die Rückkehr aus dem Ruhestand für Ärzte attraktiv zu machen: Das ist der Appell von BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt.

© Christoph Soeder / dpa / picture alliance

Berlin. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt, mahnt, angesichts der Probleme im Gesundheitswesen das Potenzial älterer Kolleginnen und Kollegen zu nutzen. Damit reagiert er auf die Datenerhebung der Ärzte Zeitung. Die Auswertung zeigt: Bereits ein knappes Drittel der Ärztinnen und Ärzte, die 65 Jahre alt oder älter sind, sind noch berufstätig. In der Altersgruppe 65 bis 74 Jahre gibt es rund 42.600 Ärzte, die derzeit nicht berufstätig sind und somit potenziell weiterarbeiten oder in die Versorgung zurückgeholt werden könnten.

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„Die Untersuchung der Ärzte Zeitung zeigt, dass viele Ärztinnen und Ärzte auch im Ruhestandsalter noch in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig sind. Vermutlich wären noch mehr Kolleginnen und Kollegen jenseits der 65 bereit, weiter zu praktizieren – zumindest für eine begrenzte Zahl an Wochenstunden“, erklärte Reinhardt auf Anfrage der Ärzte Zeitung. „Dieses Potenzial sollten wir gerade in Anbetracht der gravierenden Versorgungsprobleme nicht ungenutzt lassen. Um es zu heben, braucht es allerdings attraktive und vor allen Dingen unbürokratische Anreize. Angesichts der bevorstehenden Ruhestandswelle im ärztlichen Bereich sollte die Politik über gesetzliche, insbesondere steuergesetzliche beziehungsweise sozialversicherungsrechtliche Regelungen nachdenken, damit diese Ärztinnen und Ärzte ihre Arbeitskraft und ihr Erfahrungswissen weiterhin in die Versorgung einbringen.“

Reinhardt hatte bereits im Mai Steuervorteile als Anreiz für Mediziner ins Spiel gebracht, um sie nach Erreichen des Rentenalters zum Weiterarbeiten zu motivieren.

Viele hören wegen hoher Arbeitsbelastung auf

Dr. Dominik von Stillfried, der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, teilte auf Anfrage der Ärzte Zeitung mit: „Nur ein Teil der betrachteten Gruppe wird aus Altersgründen die Praxis abgegeben haben. Wer vorzeitig aufhört, hat meist die Arbeitsbelastung als zu hoch und gemessen daran die Vergütung als zu niedrig empfunden.“

Die Arbeitsbelastung beziehe sich meist nicht auf die Zeit mit den Patientinnen und Patienten, sondern auf administrative Aufgaben, Personal-Management und Nebeneffekte dysfunktionaler IT-Infrastruktur. „Somit“, so von Stillfried, „wäre vielleicht ein Drittel bis zur Hälfte der jüngeren Ruheständler zumindest mit einem Zeitanteil für die Versorgung zu ‚reaktivieren‘, wenn ihnen Aufgaben des Praxismanagements abgenommen, Primärprozesse vereinfacht und die bereitgestellte Zeit deutlich besser vergütet würde.“

Beispiele dafür gebe es in der Akutversorgung, etwa in Bereitschaftsdienstpraxen, in denen Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand als Poolärztinnen und -ärzte tätig sind.

In absoluten Zahlen könnte die Schätzung bedeuten: Nimmt man das von der Ärzte Zeitung errechnete Potenzial der rund 42.600 Ärzte zwischen 65 und 74 Jahren zur Grundlage, könnten etwa 14.000 bis 21.000 Kolleginnen und Kollegen zum Wieder- oder Weiterarbeiten bewegt werden.

Auch der Marburger Bund verweist darauf, dass das Weiterarbeiten für viele nur dann eine Option sein dürfte, wenn nicht schon vorher eine hohe Arbeitsbelastung und Personalengpässe den Alltag bestimmt haben.

„Wer länger arbeiten will, über die Ruhestandsgrenze hinaus, macht das von den Arbeitsbedingungen abhängig“, erklärt der MB. „Die Bereitschaft mag es grundsätzlich bei vielen Ärztinnen und Ärzten geben, die in ihrem Beruf auch eine Berufung sehen. Aber diese Bereitschaft ist an Voraussetzungen geknüpft: Wer vor dem Ruhestand unter erschwerten Bedingungen gearbeitet hat, weil beispielsweise nicht ausreichend Personal zur Verfügung stand, wird nach dem eigentlich möglichen Ruhestand wenig Lust verspüren, als Notnagel herzuhalten.“ Gute Arbeitsbedingungen dürften es andersherum leichter machen, Ärzte für eine Weiterarbeit zu motivieren. (bwa/heib)

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