Zickzack-Kurs in der Honorarpolitik
Teilweise erledigt, aber auch teilweise wieder obsolet: die Beschlüsse der KBV-Vertreterversammlung vom Mai 2010. Das neue Ziel der KBV: Zentral wird im Bewertungsausschuss nur noch eine KV-spezifische Untergrenze des Honorarwachstums beschlossen.
Veröffentlicht:
Das "große" Fressen: Wer kriegt was vom Honorarfutter?
© Carmen Steiner / fotolia.com
BERLIN. Es war ein verunglückter Start in die neue Wahlperiode der KBV-Vertreterversammlung. Erbost verließen die Vertreter aus den KVen Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen am Dienstag die Sitzung, weil aus ihrer Sicht nicht hinreichend Gelegenheit zur Debatte über ein neues Konvergenzmodell gegeben war.
Ein frühzeitig gestellter Antrag auf Schluss der Debatte hatte eine Mehrheit gefunden. Das Thema war damit vom Tisch. Die Solidarität, die in offiziellen Verlautbarungen der KBV behauptet wird, existiert de facto nicht. Mindestens vier KVen befinden sich in der Fundamental-Opposition.
Inhaltlich ging es um einen Dauerbrenner: die regionale Honorarverteilung, die durch die Vergütungsreform von 2009 kräftig durcheinandergewirbelt worden war. Zum Teil gewollt, beispielsweise überdurchschnittliche Honorarzuwächse bei Ärzten in den neuen Bundesländern.
Zum Teil gab es allerdings auch Überraschungen: Berlin und Hamburg verzeichneten Zuwächse, die in diesem Ausmaß niemand erwartet hatte. Auf der Verliererseite fanden sich vor allem KVen, die in der Zeit vor der Honorarreform mit einer rigiden Mengensteuerung überdurchschnittlich hohe Punktwerte realisieren konnten.
KBV-Gießkanne für 2011
KVen | Millionen € |
Schleswig-Holstein | 27 |
Hamburg | 0 |
Bremen | 2 |
Niedersachsen | 25 |
Westfalen-Lippe | 78 |
Nordrhein | 88 |
Hessen | 18 |
Rheinland-Pfalz | 30 |
Baden-Württemb. | 80 |
Bayern | 40 |
Berlin | 0 |
Saarland | 3 |
Mecklenburg-Vorp. | 0 |
Brandenburg | 25 |
Sachsen-Anhalt | 23 |
Thüringen | 18 |
Sachsen | 43 |
Gesamt | 500 |
Tabelle: Ärzte Zeitung |
Die Folge: Das Produkt aus zentral vorgegebenem Orientierungspunktwert und Regelleistungsvolumen konnte ein kleineres Honorar als vor 2009 ergeben. Um solche Effekte zu korrigieren, schraubte man am Verteilungsmechanismus zwischen RLV und freien Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung.
Auf einer Sondervertreterversammlung am 9. Mai 2010 in Dresden wurden Grundsätze zur Weiterentwicklung des "versichertenbezogenen Behandlungsbedarfs im Rahmen einer weiteren Stufe der Honorarreform" beschlossen.
Ein Teil der Beschlüsse hat sich mit der Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses vom Oktober 2010 erledigt: Damit wurden für das Jahr 2011 insgesamt 500 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt, die asymmetrisch unter den KVen verteilt werden können (siehe Tabelle). Die einstigen Gewinner Hamburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gehen leer aus, überdurchschnittlich wurden Baden-Württemberg, Nordrhein und Westfalen-Lippe bedacht.
Andere Teile des Dresdner Beschlusses wurden zwar nicht umgesetzt, jetzt aber von der VV aufgehoben. Zum Beispiel: Der Auftrag an den Vorstand, alle Maßnahmen voranzutreiben, die die Kostenerstattung zum Inhalt haben. Oder bei Verbleib im Sachleistungssystem binnen fünf Jahren einen Punktwert von 5,11 Cent zu erreichen.
Auch die Vorgaben für die ursprünglich auf fünf Jahre bemessene Konvergenzphase gelten so nicht mehr: Die Ermittlung und Anpassung des Behandlungsbedarfs je Versicherten sollte nur über die Morbidität geschehen, und zwar kleinräumig; dabei sollte die regionale Qualität der Dokumentation von Diagnosen gleichförmig gut sein. Das gilt jetzt nicht mehr.
Wohl vor dem Hintergrund des Widerstandes gegen die Ambulanten Kodierrichtlinien sind die Ziele mit Blick auf das Versorgungsgesetz nun weitaus weniger ambitioniert. Der Bewertungsausschuss soll danach nur noch KV-spezifische Veränderungsraten auf Basis einer vollständig diagnosebezogenen Messung veränderter Morbiditätsstrukturen der Versicherten beschließen.
Das gilt als Untergrenze für regionale Gesamtvertragsverhandlungen. Die Honorarverteilung soll wieder autonom bei den KVen liegen. Und: Mehr Einzelleistungen statt Pauschalen.