Zu viele Kliniken? Kassenchef in der Kritik

Zu viele Kliniken hat das Land - die Kritik von Barmer-GEK-Chef Straub erzürnt Länder, Kliniken und Ärzteschaft. Kassenchef Straub versucht derweil, die Berichte geradezurücken.

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Zu viele leere Betten in der Republik?

Zu viele leere Betten in der Republik?

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KÖLN (iss/nös). Deutschland leistet sich zu viele Krankenhäuser, vor allem zu viele Betten und zu teure Strukturen. Mit dieser Aussage hat der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse mächtig Staub aufgewirbelt.

Denn in die Worte von Barmer-GEK-Chef Dr. Christoph Straub lässt sich auch folgendes hineininterpretieren: Die Republik braucht weniger Kliniken, also sollten besser einige geschlossen werden.

Die Kliniken sind empört. Straubs Forderung sei "völlig daneben", konterte der Chef der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft, Thomas Reumann. "Die Kliniken haben ihre Hausaufgaben gemacht", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Warnung vor der Zwei-Klassen-Versorgung

Auch die Kommunen gehen auf die Barrikaden. "Wir haben auf dem Land keine Überversorgung, zum Teil sogar eine Unterversorgung", sagte Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag in Richtung Kassenchef Straub.

Tatsächlich sind es gerade die kleineren Häuser in kommunaler Trägerschaft, die rote Zahlen schreiben. Experten gehen davon aus, dass jede fünfte Klinik in öffentlicher Hand ein hohes Insolvenzrisiko hat.

Vorholz fordert dennoch: "Die Versorgungssicherheit müss überall gewährleistet bleiben, sonst gibt es eine Zwei-Klassen-Versorgung auf dem Land und in der Stadt."

Klinik-Funktionär Reumann fordert daher, mehr Geld für die Kliniken in die Hand zu nehmen. "Da die Patienten langsam unter dem Mangel an persönlicher Zuwendung leiden, müsste das Geld in das Personal gesteckt werden", fordert er.

Todesstoß für die Kliniken

Ähnlich sieht es der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst. Die Schließung von Kliniken würde die wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung empfindlich stören, sagte er.

"In Zeiten der sektorübergreifenden Versorgung bedeutet die Forderung nach Klinikschließungen nicht nur den Todesstoß für die stationäre Versorgung, sondern sie gefährdet die gesamte, also auch die ambulante Patientenversorgung."

Auch Windhorst verweist auf die bereits jetzt ständig steigende Arbeitsverdichtung in vielen Kliniken. Immer weniger Häuser müssten immer mehr Behandlungen und Operationen bewältigen.

Allein in den mehr als 400 Häusern in Nordrhein-Westfalen seien 1500 Stellen nicht besetzt, sagte er. Die Finanzausstattung des stationären Sektors sei weiterhin unzureichend.

Reformen statt Schließungen

"Was wir mit der derzeitigen Belastungs- und Mangelsituation der Qualität der Patientenversorgung antun, ist besorgniserregend."

Gerade angesichts der strikten Budgetierung gebe es für weitere Sparmaßnahmen keine Spielräume mehr, betonte Windhorst.

Barmer-GEK-Chef Straub sah sich angesichts der Kritik zu einer Richtigstellung gezwungen: "Es geht nicht wie behauptet um eine Schließung von Kliniken, sondern um mehr ambulante Versorgungsangebote an Kliniken", teilte er am Montag mit.

Der verstärkte Einsatz von ambulant-stationären Einrichtungen sei ein wichtiger Ansatz zur Sicherstellung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung, so Straub.

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Kommentare
Dr. Cornelia Karopka 03.01.201215:27 Uhr

Die guten ins Töpfchen, die schlechten...

"Es geht nicht wie behauptet um eine Schließung von Kliniken, sondern um mehr ambulante Versorgungsangebote an Kliniken", teilte er (Herr Straub) am Montag mit.
Also geht es wohl darum, kleine Kliniken, die die Grundversorgung sichern, zu schließen, weil die ja diejenigen mit den roten Zahlen sind und wohl auch schwer die ambulante Versorgung leisten können. Interessant wäre hierbei die Frage, warumm kommunale Häuser rote- und private Kliniken schwarze Zahlen schreiben.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Tarife an den Privatkliniken andere sind als bei kommunaler Trägerschaft. Also wünscht Herr Straub wohl niedrigere Personalkosten und- ein Schelm, wer Böses dabei denkt- höhere Gewinne durch Spezialambulanzen an den großen Privatkliniken. Die guten quasi ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen der niedergelassenen Hausärzte, die ja die zunehmenden intensiven Nachbehandlungen mit übernehmen können.
So finden sich ganz bestimmt viele junge Kollegen, die das gern als Hausarzt übernehmen (Achtung- Ironie)

Dr. Peter Grooterhorst 03.01.201209:09 Uhr

Differenzierte Betrachtung notwendig

Es gibt sie, die Überversorgung im Bereich der Kliniken. In Ballungszentren mit hoher Versorgungsdichte gibt es im hochspezialisierten, offensichtlich lukrativen Bereich ein Übermaß an Leistungen, von denen die Patienten keinen Nutzen haben. Die Anreize sind hier offensichtlich so gesetzt, dass kein Krankenhaus es sich leisten kann, auf die Expansion hier zu verzichten. Da gibt es in der Tat Überkapazitäten, die enorme Finanzmittel verbrauchen. Ein zentrales, strukturell bedingtes und damit nicht zu änderndes Problem der Kliniken sind ihre hohe Fixkosten. D.h.: Besteht eine Abteilung, muss sie auch einen bestimmten Umsatz machen, um überhaupt zu überleben, egal, ob die Leistungen medizinisch sinnvoll sind oder nicht. Deshalb sollten die Klinikkapazitäten morbiditätsangepasst sein. Dies ist - zugegebenermaßen - leichter gesagt als getan.

Dr. Uwe Wolfgang Popert 03.01.201208:20 Uhr

Nächster Flop

Ob es ein Zufall ist, dass der neue Vorstandsvorsitzende der Barmer-GEK direkt aus der Vorstandsetage der Rhön-Kliniken kommt?
Jedenfalls wären von einer ersatzlosen Streichung von Klinikbetten derzeit im Wesentlichen kleinere kommunale Häuser betroffen. Rhön-Kliniken würden weiter wachsen - und die Niedergelassenen hätten die Mehrarbeit. Von mehr Geld für den ambulanten Bereich hat Herr Straub ja nicht gesprochen.

Die Barmer-GEK hat sich kürzlich bereits mit der Forderung nach einer bürokratieintensiven Umdefinition chronischer Patienten sehr unglücklich positioniert.

Mit der spärlich kaschierten Forderung nach ersatzloser Streichung von Klinikbetten hat sich die Barmer bereits den zweiten publikumswirksamen Flop innerhalb von kurzer Zeit geleistet - was kommt als nächstes?

Dr. Jürgen Sobtzick 02.01.201220:04 Uhr

Zu viele Krankenhausbetten, Forderung der BEK nach Abbau von Krankenhausbetten

Ein weiterer Bettenabbau in den Krankenhäusern wird die Belastung der niedergelassenen Kollegen, insbesondere der noch verbliebenen Hausärzte erhöhen. Bei gleichbleibender Vergütung und fehlender Aufstockung der Budgets wird auch das Regressrisiko steigen. Die Patienten erhalten in den Kliniken kaum noch physikalische Therapie, medikamentöse Einstellungen werden in den ambulanten Bereich verlagert. Ob die gemachten Empfehlungen auch zum Erfolg führen, wird im Krankenhaus nicht mehr überprüft. Marcumar-Einstellungen werden ohne Risiko für die Klinik kurz vor der Entlassung begonnen. Gleichzeitig werden den Hausärzten kostendeckende Hausarztverträge und Honorarsteigerungen mit dem Hinweis auf gestiegene Heilmittelkosten verweigert.Dr.Jürgen Sobtzick,Euerdorf

Dr. Thomas Georg Schätzler 02.01.201217:20 Uhr

Mit nur ambulant vor stationär geht auch nicht mehr!

Da muss der Kollege und neue Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. med. Christoph Straub, zurückrudern. Denn in der Tat, hektische Schließung von regionalen Kliniken und Bettenstreichungen würden wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung gefährden. Das GKV-FinG ist zwei Tage wirksam, um die Versorgung im ländlichen Raum, in sozialen Brennpunkten und in Randbezirken endlich wieder abzusichern, da kommen sogleich die ersten konterkarierenden Kassandrarufe.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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