Zukunft der Pflege liegt in der IV-Versorgung
Da die Zahl der pflegebedürftigen Menschen weiter steigen wird, sind neue Versorgungskonzepte gefragt.
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"Geriatrische Patienten sollten nur integriert versorgt werden", so die Chef-Gerontologin der Charité.
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BERLIN. Das Gesundheitssystem der Zukunft setzt auf Prävention, die Aufwertung der Pflegeberufe und auf Technik. Eines wird es nicht leisten können: "Der Zugewinn an Lebensjahren wird nicht leidfrei sein", sagte Professor Matthias Schrappe, der Direktor des Instituts für Patientensicherheit der Universität Bonn beim Zukunftsforum Langes Leben in Berlin.
Weil die Menschen immer älter werden, muss sich das Gesundheitssystem der Zukunft auf zunehmende Multimorbidität einstellen. Schon heute leide jeder vierte über 70 Jahre alte Mensch an fünf gleichzeitig behandelten Krankheiten, sagte Professorin Adelheid Kuhlmey. Auch in Zukunft werde der Pflegebedarf ab dem 80. Lebensjahr steigen.
Von den 90-jährigen werden 60 Prozent pflegebedürftig sein. "In den nächsten 40 Jahren werden sich die Menschen mit Demenzen in Deutschland auf mehr als zwei Millionen verdoppeln", sagte Kuhlmey, die lange Zeit Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen war. Selbst wenn die Prävention besser greife oder die schweren Krankheiten in den letzten Lebensjahren komprimiert werden könnten, werde es im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr kranke und pflegebedürftige Menschen geben.
Richten soll es unter anderem die sektorenübergreifende Versorgung mit Fallmanagement, mehr Kompetenzen und Rechte für die Angehörigen der Pflegeberufe und mehr medizinische Kompetenz in den Heimen, die Unterstützung pflegender Angehöriger und eine Aufwertung der Beratung. "Die Pflegestützpunkte reichen nicht", sagte Kuhlmey.
Für einen Ausbau der Integrierten Versorgung plädierte auch Professorin Elisabeth Steinhagen-Thiessen. "Geriatrische Patienten sollten nur integriert versorgt werden", sagte die Chef-Gerontologin der Charité. Auf drei Krankheitsgruppen könne man sich dabei zunächst konzentrieren: Auf die kardiovaskulären Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall, auf Erkrankungen des Bewegungsapparates wie Osteoporose und Ostaoarthritis sowie die Demenzen wie Alzheimer, Mischdemenz und vaskuläre Demenz. Um die Behandlungspfade frei zu bekommen, müssten die Sozialgesetzbücher 5 und 11 zusammengeführt werden. Davon profitierten alle Beteiligten, sagte Steinhagen-Thiessen.
Um dem drohenden Ärztemangel und einer möglichen Unterversorgung zu begegnen, müsse der Staat private Anbieter in den Versorgungsauftrag einbeziehen, sagte Dr. Joachim Kartte von der Unternehmensberatung Roland Berger. Warum solle ein privater Klinikkonzern nicht den Auftrag zur Versorgung einer Region erhalten? Angestellte Ärzte könnten sich anders als Niedergelassene kaum weigern, eine ländliche Region zu betreuen. Voraussetzung für ein solches Modell sei allerdings, dass Versorgung über Ländergrenzen hinweg organisiert werden könne.