Bürgermeisterwahl in Marburg
Zwei Ärzte wollen an die Spitze
In der Unistadt Marburg gehen am Sonntag zwei Ärzte ins Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters: SPD-Landespolitiker Spies und die Lokalpolitikerin Neuwohner von den Grünen. Das Uniklinikum ist eines der Haupt-Wahlkampfthemen.
Veröffentlicht:MARBURG. Einmal im Monat zieht der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Spies die grell-orange Kluft des Rettungsdienstes an und steigt in den Notarztwagen.
"Das erdet", sagt der Arzt, der im Jahr 2000 in den hessischen Landtag wechselte. Und es relativiere die mitunter "kleinlichen Ängste und Ambitionen" in der Politik.
Jetzt will Thomas Spies (52) Oberbürgermeister der Universitätsstadt Marburg werden. Und noch eine weitere Ärztin, die niedergelassene Allgemeinmedizinerin Elke Neuwohner (39), kandidiert: Die Grünen haben die fünffache Mutter in das Rennen um den Posten an der Marburger Spitze geschickt. Gewählt wird am 14. Juni.
Klinikversorgung im Mittelpunkt
Die Gesundheitsversorgung liegt ihnen beiden am Herzen. Spies ist gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, entwickelte gemeinsam mit Andrea Ypsilanti das SPD-Konzept von der Bürgerversicherung und gehört zu den profiliertesten Gegnern der Privatisierung des Marburger Uni-Klinikums.
Erst vor Kurzem brachte er das Thema vor den Wissenschaftsausschuss, weil der Konzern die ambulante Flächenversorgung im Raum Marburg weitgehend übernehmen möchte.
Im Wahlkampf ist das Großkrankenhaus schon zuvor zum Thema geworden: "Hier haben Menschen Angst vor dem Klinikum", kritisierte Spies und löste damit Empörung bei politischen Gegnern aus, die ihm vorwarfen, Angst zu schüren.
Spies betont aber auch: "Natürlich ist es ein gutes Krankenhaus, in dem unglaublich engagiert gearbeitet wird." Um den Ruf des Klinikums zu verbessern, schlägt er gemeinsame Projekte mit der Stadt vor. Gerade, weil er ein klarer Gegner der Privatisierung sei, könne er dies glaubhaft vertreten.
Zugleich hat er einen kommunalen Einstieg in das Universitätsklinikum ins Gespräch gebracht. Die Städte und Landkreise Marburg und Gießen könnten je 20 Millionen Euro investieren, um sich ein starkes Mitspracherecht zu sichern.
Zudem könne das Land die aus dem Verkauf des Klinikums eingerichtete, 100 Millionen Euro schwere Behring-Röntgen-Stiftung nutzen, um die Mehrheitsverhältnisse zu ändern. Er versteht seine Ideen aber als Diskussionsgrundlage: "Ich möchte, dass wir vorbereitet sind."
Wenn es etwa durch Aktienverschiebungen zu einer deutlichen Veränderung der Eigentumsverhältnisse kommt, kann das Land das Klinikum nämlich zurückkaufen.
Dass ein kommunaler Einstieg angesichts der schwierigen finanziellen Situation des Klinikums viel bringt, glaubt die Grüne Elke Neuwohner allerdings nicht. Noch bis 2011 war sie als Assistenzärztin mit voller Stelle im privatisierten Hochschulkrankenhaus tätig: "Ich habe sehr gern dort gearbeitet", sagt sie.
Die Patienten, die sie als inzwischen niedergelassene Allgemeinmedizinerin dorthin schicke, seien auch in der Regel zufrieden. Neuwohner fürchtet jedoch, dass Marburg "ein Ableger" des Gießener Uni-Klinikums wird.
Vor allem müsse die Finanzierung der Hochschulmedizin insgesamt verbessert werden, sagt sie. Und das Land sollte zumindest seine Aufsichtsratsposten besetzen.
Menschlich sind die beiden Kandidaten durchaus unterschiedlich. Der wortgewandte Sozialdemokrat polarisiert mitunter. "Bei mir weiß man, was man kriegt", sagt Spies dazu: "Viele sind froh, wenn einer sagt, was er will."
Dagegen wird Elke Neuwohner von ihren Parteifreunden für ihren "ruhigen Politikstil" gelobt. Auch im Wahlkampf betont sie die Kultur des Miteinanders.
Zwei belastbare Kandidaten
Es gibt aber auch einige Parallelen: Beide haben mehrere Jahre im Uni-Klinikum Marburg gearbeitet - Spies allerdings noch vor der Privatisierung. Beide hatten ein verwandtes Dissertationsthema. Spies hat über die psychologischen Folgen der Kaiserschnittgeburt auf die Paarbeziehung promoviert.
Neuwohner hat Paare über Präimplantationsdiagnostik befragt, die sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen. Beide sind seit Jahren in der Kommunalpolitik aktiv. Sie wollen auch beide die seit 1997 bestehende rot-grüne Koalition in Marburg fortsetzen.
Belastbar dürften beide Kandidaten sein. Spies gilt als einer der fleißigsten Abgeordneten im Wiesbadener Landtag. Neuwohner bekommt fünf Kinder, politisches Engagement und die geteilte Hausarztpraxis unter einen Hut.
Die ersten drei Kinder wurden noch während des Studiums geboren. Trotzdem saß sie im Bundesvorstand der Grünen Jugend, im Uni-Senat, engagierte sich als Stupapräsidentin und erhielt ein Stipendium.
Als "Ursula von der Leyen in Grün" lässt sie sich allerdings nur ungern bezeichnen. Schließlich stammt die 39-Jährige aus einer Arbeiterfamilie.