Zwischenfall bei Organentnahme

Zwei Koordinatoren - zwei Ergebnisse?

Ein Wechsel der DSO-Koordinatoren während der Organentnahme könnte nach Informationen der "Ärzte Zeitung" die Probleme bei einer Organtransplantation in Bremerhaven verursacht haben.

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Wie kam es zu dem Zwischenfall bei der Organentnahme in Bremerhaven?

Wie kam es zu dem Zwischenfall bei der Organentnahme in Bremerhaven?

© mario beauregard / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Nach Informationen der "Ärzte Zeitung" könnte der Zwischenfall bei einer Organentnahme im Bremerhavener Krankenhaus Reinkenheide Anfang Dezember 2014 mehr als nur ein Dokumentationsfehler gewesen sein.

Möglicherweise war der für die vollständige Hirntoddiagnose vorgeschriebene PCO2-Wert im Blut der Patientin nicht erreicht. Unterdessen hat sich die Bremerhavener Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Nach Recherchen der "Ärzte Zeitung" haben zwei Ärzte des Klinikums unabhängig voneinander den Hirntod der Frau mit Schädelhirntrauma festgestellt. Darauf prüfte ein Koordinator der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) die Hirntodfeststellung und bestätigte sie.

Schritt neuer Koordinator ein?

Bis hierher lief der Prozess wohl vorschriftsmäßig ab. Aber dann wechselten angeblich die Koordinatoren. Und während das Entnahmeteam der DSO bereits mit der Operation begonnen hatte, schritt offenbar der neue Koordinator ein.

Er habe entdeckt, dass der Kohlendioxid-Partialdruck im Blut (PCO2-Wert) bei 58 lag und nicht, wie vorgeschrieben, bei 60. Darauf habe der neue Koordinator die Organentnahme abgebrochen. Kurz darauf sei die Frau an Herzversagen gestorben.

Die Prüfungs- und Überwachungskommission der Bundesärztekammer prüft nach eigenen Angaben den Fall und hat "festgestellt, dass die Organspenderin vor geplanter Organentnahme hirntot war", so die BÄK am Montag. Ein abschließender Bericht der Kommission steht noch aus.

"Wenn nach den eigenen Kriterien der Hirntod nicht feststellbar war, wie konnte die Bundesärztekammer am Montag den Hirntod der Patientin bestätigen?", fragt der Wilhelmshavener Transplantationsmediziner, Professor Gundolf Gubernatis.

"Wenn ein Wert von 60 vorgeschrieben ist, dann ist 58 unzureichend", sagte er der "Ärzte Zeitung". Unterdessen hat die Bremerhavener Staatsanwaltschaft die Akten des Falls sichergestellt.

"Wir führen ein Todesursachenverfahren durch", sagte Oberstaatsanwalt Oliver Constien. Die Staatsanwaltschaft will feststellen, woran die Patientin gestorben ist. (eb)

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Kommentare
Dr. Andreas Rahn 17.01.201520:02 Uhr

Grenzwerte aus wissenschaftlicher Sicht

Ein gemessener PCO2-Wert von 60 liegt aus wissenschaftlicher Sicht bei einer Fehlertoleranz von 5% mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 60 - 5% (also 57) und 60 + 5% (also 63).
Für einen Wert von 58 gilt Entsprechendes.
Gemessene Werte von 58 und 60 sind bei einer Fehlertoleranz von 5% aus wissenschaftlicher Sicht somit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wirklich verschieden.
Diese Verhältnisse sollte man bei der Festlegung von Grenzwerten vorher bedenken. Oder anders herum: macht es überhaupt Sinn, für die Feststellung des Hirntodes derartige Grenzwerte festzulegen?
Aus wissenschaftlicher Sinn wird man das bezweifeln können, es bleibt das Problem, wie man es so hinbekommt, dass mehrere Ärzte zu denselben Ergebnissen kommen (auch das wird man nie zu 100% hinbekommen...).
Es bleibt also schwierig. Aber bedenken muss man das - und zwar bevor man solche Kriterien festlegt. Sonst darf man sich nicht wundern, wenn bei 58 abgebrochen wird, was erst ab 60 zulässig ist.

Dr. Claus Kühnert 16.01.201514:21 Uhr

ad 2 Koordinatoren - 2 Ergebnisse?

Man kann die Bürokratie angesichts der Organentnahme gemäß gültiger Vorgaben zur dringlichen Transplantation einer sterbenskranken Patientin (nunmehr mit Todesfolge) auch übertreiben. Wenn alle gravierenden Untersuchungen den klinischen Tod belegten ist es absolut unverständlich, wenn ein plötzlich neu berufener Koordinator, der sich als Korinthenkakker erweist und außer Acht läßt, dass Labormethoden auch eine gewisse zulässige Fehlerbreite besitzen. Hätte man die Organentnahme auch bei 59 statt 60 abgebrochen? Wozu bedarf es zuvor eines ganzen Teams von Ärzten um den Tod (einschließlich im EEG) festzustellen, wenn nur ein neuer "ungeübter" Koordinator alles über den Haufen werfen darf? Wir brauchen uns über die abnehmende Zahl der Organtransplantationen nicht mehr wundern, wenn die ohnehin zu kleine Zahl der zur Organentnahme bereiten KH so noch zusätzlich demotiviert wird. Was wäre, wenn sich die Angehörigen der zur Transplantation vorbereiteten Patientin wegen untersagter Hilfeleistung empören und klagen?
MfG. dokuet

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