AMNOG

vfa-Studie kritisiert kurzen Zeithorizont

Seit Anfang 2011 ist das AMNOG in Kraft: Seither werden neue Arzneimittel nach einem Jahr einer Nutzenbewertung unterzogen. Doch dieser Zeithorizont müsse deutlich ausgedehnt werden, fordert der vfa. Schließlich würden mittelfristige Kosteneffekte nicht berücksichtigt. Unterstützt werde die Forderung durch aktuelle Studienergebnisse.

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BERLIN. Der Blick auf innovative Arzneimittel ist in Deutschland zurzeit zu verengt - damit werde die Chance vergeben, Innovationen zu fördern. Aus diesem Grund müssten die bestehenden Verfahren des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) weiterentwickelt werden.

Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Kostenevaluation von Arzneimitteln: internationale Standards der Gesundheitsökonomie und derzeitige deutsche Praxis". Auftraggeber der Studie ist der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa).

Die Verfahren der Nutzenbewertung im AMNOG erfolge zu strickt bereits nach einem Jahr, kritisierte Studienautor und Strategieberater Professor Matthias Schönermark. Anders in anderen europäischen Ländern: Nur in Deutschland werde der Zeithorizont bei der Kostenevaluation auf ein Jahr beschränkt.

"Diese Sonderrolle ist nicht zu begründen", so Schönermark. Aus der Studie geht hervor, dass in England, Schottland oder Frankreich nach bis zu fünf Jahren, in den Niederlanden und Belgien immerhin nach bis zu drei Jahren die Budget-Impact-Analyse erfolgt.

In Deutschland würden somit mittelfristige Kosteneffekte ausgeblendet, kritisierte Schönermark. Zudem müssten auch beispielsweise vermiedene Krankenhausaufenthalte in der Kalkulation berücksichtigt werden.

Ein Beispiel: In Deutschland lebten Ende 2010 etwa 70.000 Menschen mit HIV/Aids. Die Versorgung sei fortwährend optimiert worden, betonte der Studienautor. Somit seien in der Vergangenheit Aids-Todesfälle drastisch reduziert worden.

Fischer: Qualitätswettbewerb statt Preiswettbewerb

Laut Studie steigen gleichzeitig jedoch die Krankheitskosten an: Bei der Krankheitsprogression werde die medikamentöse Therapie intensiviert, zudem würden auch symptomatische Folgeerkrankungen therapiert.

Die durchschnittlichen Direktkosten pro Fall hätten sich in der Gesamtbetrachtung seit 1997 jedoch erheblich reduziert, so Schönermark. Denn: Immer mehr Patienten könnten im asymptomatischen Stadium gehalten werden, somit würden teure Krankenhausaufenthalte vermieden.

"Da die Ressourcen in der Versorgung, die durch Einführung von innovativen Arzneimitteltherapien gespart werden, keine Berücksichtigung finden, ist die Gesamteffizienz der neuen Arzneimittel nicht abgebildet", ergänzte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa.

Insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung sei es jedoch unabdingbar, den Beitrag innovativer Medikamente in der Versorgung korrekt zu erfassen. "Die heutige Reduktion auf die SGB V-Perspektive ist zu überwinden und die weit über die Arzneimittelkosten hinausreichenden Auswirkungen der Medikamente auf das Gesundheitssystem zu würdigen", forderte Fischer.

Eine Bewertung der Versorgung, die primär oder gar ausschließlich die kurzfristigen Auswirkungen auf Gesundheitsausgaben betrachte, behindere den Zugang der Bürger zum medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt und behindere eine effiziente Qualitätssicherung.

"Eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung wird so verzögert oder sogar verhindert", so Fischer. Jetzt sei die Politik gefordert: Der heutige Preiswettbewerb müsse einem Qualitätswettbewerb weichen. (sun)

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