Patientengespräche
Ärzte nutzen neue Chancen zu selten
Der neue EBM birgt Überraschungen. Bei der Abrechnung von Patientengesprächen halten sich die Hausärzte zurück - noch. Budgetlücken gibt es dabei in der Geriatrie und Palliativmedizin.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Hausärzte in Deutschland rechnen weniger Patientengespräche, aber mehr geriatrische und palliativmedizinische Behandlungen ab als erwartet. Das hat die Auswertung der Zahlen des ersten Quartals nach Einführung des neuen Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ergeben.
Dass der Leistungsbedarf insgesamt um 2,3 Prozent gestiegen ist, geht nicht zuletzt auf die neuen Leistungen in der Geriatrie und Palliativmedizin zurück. Jedoch bestätigen die Abrechnungsergebnisse die Befürchtung, dass diese Leistungen nach Ansicht der KBV-Spitze deutlich unterfinanziert sind.
Fast in allen KVen haben Ärzte mehr als doppelt soviele Leistungen aus diesen Bereichen erbracht, als mit dem zur Verfügung stehenden Geld - rund 50 Millionen Euro pro Quartal - bezahlt werden konnten.
Dabei gibt es regional große Unterschiede. In Baden-Württemberg wurden 64 Prozent der abgerechneten Leistungen nicht finanziert, in Mecklenburg-Vorpommern waren es 206 Prozent.
"Es müsste die doppelte Menge an Geld zur Verfügung gestellt werden, um zu einer annähernd hundertprozentigen Auszahlung zu kommen", sagte KBV-Vorstand Regina Feldmann. Sie verwies darauf, dass im ausgewerteten Quartal das geriatrische Basis-Assessment sehr häufig abgerechnet worden sei.
Weil diese Leistung nicht jedes Quartal abgerechnet werden kann, erwartet der KBV-Vorstand, dass sich die geriatrischen Leistungen nicht dauerhaft so stark unterfinanziert darstellen, wie im ersten Quartal mit dem neuen EBM. Die aktuelle Unterdeckung will die KBV bei den Verhandlungen zur Gesamtvergütung mit den Krankenkassen zum Thema machen.
Die Möglichkeiten, Patientengespräche leichter als früher abrechnen zu können, schöpften dagegen nur die wenigsten Hausärzte vollständig aus.
Bei drei Ausnahmen blieb in allen KV-Bezirken bei mehr als 60 Prozent der Hausärzte Luft im Gesprächsbudget. In Nordrhein und Westfalen-Lippe galt das sogar für rund drei Viertel der Allgemeinärzte.
Dieses Ergebnis führt Feldmann weitgehend auf Umstellungseffekte zurück. Ein Hindernis für die Abrechnung war aus ihrer Sicht, dass die Verknüpfung der Gesprächsziffer mit dem Zeitprofil für die Plausibilitätsprüfung erst im Dezember aufgehoben wurde.
"Hausärzte reden nicht zu wenig mit ihren Patienten. Sie sollten die Scheu vor der Plausiprüfung ablegen und abrechnen was sie tatsächlich machen", sagte Feldmann.
Sie erwartet, dass die Gesprächsbudgets ab dem ersten Quartal dieses Jahres deutlich öfter ausgeschöpft werden.
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