Beschwerden von Patienten
Ärztekammer Nordrhein prüft berufsrechtliches Vorgehen gegen Kinderpsychiater
Nach einer TV-Reportage und Zeitungsberichten, in denen dem bekannten Kinderpsychiater Dr. Michael Winterhoff zweifelhafte Behandlungsmethoden vorgeworfen wurden, zieht der Fall Kreise. Der Arzt weist die Anschuldigungen zurück.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Die Ärztekammer Nordrhein hat im Fall des Bonner Kinderpsychiaters Dr. Michael Winterhoff eine berufsrechtliche Prüfung aufgenommen. Der Kammer liegen Beschwerden von Patienten gegen den Arzt vor. „Während der Prüfung können wir zu einzelnen Vorwürfen keine Aussage machen“, sagte eine Sprecherin der ÄKNo der „Ärzte Zeitung“.
Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, kann der Kammervorstand im einfachsten Fall eine Rüge aussprechen. Bei schwereren Vorwürfen wird schließlich das Berufsgericht für Heilberufe eingeschaltet, das für Nordrhein am Verwaltungsgericht Köln angesiedelt ist. Konsequenzen können dann nach dem Heilberufsgesetz vom Verweis über eine Geldbuße bis zur „Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs“ reichen.
Der Sender WDR und die „Süddeutsche Zeitung“ werfen Winterhoff zweifelhafte Behandlungsmethoden vor. Er soll Kinder in Heimen mit Medikamenten ruhiggestellt haben, zum Teil ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten oder der Vormunde. Dabei soll er häufig das Antipsychotikum Pipamperon verordnet haben. Nach den Recherchen stellte der Kinderpsychiater häufig die Diagnose „frühkindlicher Narzissmus“.
Winterhoff ist auch als Autor bekannt, er hat ein Buch mit dem Titel „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ geschrieben. Eine Fernseh-Reportage des WDR hatte deshalb den Titel „Warum Kinder keine Tyrannen sind – das System Dr. Winterhoff“. In dem Film kommen ehemalige Patienten des Arztes und Fachkollegen mit zum Teil heftiger Kritik zu Wort.
Psychiater wehrt sich gegen die Vorwürfe
Winterhoff weist die Vorwürfe zurück. Seine „umfassende fachliche Stellungnahme“ und ein aktuelles Gutachten seien nur unzureichend in die Berichterstattung des WDR eingeflossen, schreibt er in einer Stellungnahme auf seiner Homepage.
„Das auch in meiner Praxis eingesetzte Medikament Pipamperon wird seit Jahrzehnten bei Stimmungslabilität und Verwirrtheit eingesetzt, ist nach wie vor für Kinder mit psychomotorischen Erregungszuständen zugelassen und laut unabhängigen Gutachten auch im darüberhinausgehenden Off-Label-Use verwendbar“, führt Winterhoff aus.
Er habe viele junge Patienten erfolgreich therapieren können. Der Arzt betont, dass er grundsätzlich keine Medikamente ohne Zustimmung der Eltern oder des Vormunds verordnen würde.
Strafanzeige eingereicht?
Nach der Ausstrahlung des Films haben sich nach Angaben des WDR mehr als 20 Betroffene bei der Redaktion gemeldet. Einige wollen demnach gemeinsam juristisch gegen Winterhoff vorgehen. Bei der Staatsanwaltschaft Bonn ist laut „Süddeutscher Zeitung“ bereits eine erste Strafanzeige gegen ihn eingereicht worden.
Die Berichte haben offenbar viele Einrichtungen und auch Aufsichtsbehörden aufgeschreckt. Der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln hat die rund 60 Mitgliedsorganisationen, die in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind, angeschrieben und nach einer möglichen Zusammenarbeit mit Winterhoff gefragt.
Nach jetzigem Stand ist das nur bei einer Einrichtung der Fall, sagte ein Sprecher am Freitag der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA). Es handele sich um den Verein „Kleiner Muck“ in Bonn, der von Winterhoff mitgegründet wurde. „Wir haben dem Verein nahegelegt, die Zusammenarbeit zu überprüfen“, sagte der Sprecher. (iss)