Medizinstudenten

Allgemeinmedizin ist die Nummer eins

Später als Hausarzt arbeiten - das wollen immer mehr Medizinstudenten. Das zeigt eine Umfrage des Hartmannbundes unter 7500 angehenden Ärzten.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Eine Tätigkeit als Hausarzt ist aktuell das Berufsziel Nummer eins der Medizinstudenten.

Eine Tätigkeit als Hausarzt ist aktuell das Berufsziel Nummer eins der Medizinstudenten.

© Jochen Lübke / dpa

BERLIN. Die Allgemeinmedizin steigt in der Gunst der Medizinstudenten: 8,9 Prozent streben die Allgemeinmedizin als Fachrichtung an, 9,5 Prozent der Frauen, 7,8 Prozent der Männer.

Damit steht das Berufsziel des Hausarztes aktuell auf Platz eins - knapp vor der Anästhesiologie, Pädiatrie und Inneren Medizin.

Das ergab eine Umfrage des Hartmannbundes (HB), an der 7500 Medizinstudenten teilgenommen haben.

"Offensichtlich hat sich bei vielen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die hausärztliche Tätigkeit anspruchsvolles, differenziertes und abwechslungsreiches ärztliches Handeln darstellt", kommentiert der Hartmannbund-Vorsitzende Dr. Klaus Reinhardt die Ergebnisse.

Zwar steigt die Zahl derer, die an einer hausärztlichen Tätigkeit interessiert sind. Dennoch ändern sich die Gründe, warum sich angehende Mediziner gegen eine solche Tätigkeit entscheiden, kaum: 66,2 Prozent sorgen sich um zu viel Bürokratie, 62,8 Prozent fürchten finanzielle Risiken, 61,8 Prozent die geringe Bezahlung der Hausärzte.

Von den Befragten geben 50,1 Prozent zudem eine hohe Arbeitsbelastung und schlechte Arbeitsbedingungen (46,9 Prozent) an, 45,6 Prozent bemängeln ein geringes Ansehen unter Kollegen.

Reform des Studiums in 2015?

In diesem Jahr wollen Wissenschafts- und Gesundheitsminister aus Bund und Ländern das Reformprojekt "Masterplan Medizinstudium 2020" beraten - und dabei steht eine Reform des Praktischen Jahres (PJ) oben auf der Tagesordnung.

Derzeit ist das PJ in drei Tertiale aufgeteilt: Pflichtfächer sind die Innere Medizin und Chirurgie, die Studenten können ein Fach wählen.

Laut der HB-Umfrage liegt dabei derzeit die Anästhesiologie (17,5 Prozent) ganz vorne, gefolgt von der Kinderheilkunde (11,9 Prozent), der Neurologie (7,1 Prozent) und Gynäkologie (6,9 Prozent).

Die Allgemeinmedizin landet mit 6,4 Prozent auf Platz fünf. Unentschlossen über ihre Wahl sind noch 18,4 Prozent. Dass dieses Tertial-Modell im PJ beibehalten wird, dafür sprechen sich 17,4 Prozent der Befragten aus.

Ein Großteil der Medizinstudenten will aber eine Änderung im PJ - allerdings konträr zu den Vorstellungen, die bisher von den Wissenschafts- und Gesundheitsexperten diskutiert werden: 74,7 Prozent der Studenten sprechen sich dafür aus, das PJ künftig in vier Quartale aufzuteilen.

Neben den beiden bisherigen Pflichtquartalen in der Inneren Medizin und Chirurgie sollte es nach ihren Vorstellungen zwei Wahlquartale geben.

Wahl-Quartal Allgemeinmedizin

Gäbe es bereits zwei Wahl-Quartale, dann würden sich 8,9 Prozent für die Allgemeinmedizin entscheiden. Spitzenreiter wäre die Anästhesiologie (9,2 Prozent), auf Platz drei läge die Pädiatrie (8,1 Prozent), gefolgt von der Kardiologie (5,7 Prozent).

Der Hartmannbund befürwortet eine Quartalslösung ausdrücklich - "somit können sich die Studenten besser entscheiden, in welchem Fach sie eine Weiterbildung absolvieren wollen".

Wissenschaftsexperten plädieren aber für drei Pflichtquartale: Neben der Inneren Medizin und der Chirurgie soll verpflichtend drei Monate in der Allgemeinmedizin gearbeitet werden. Ein Wahlquartal stünde zur freien Verfügung.

Diesem Vorschlag stimmen nur 7,9 Prozent der Studenten zu. "Unsere Erhebung belegt, dass wir keine weiteren Zwangsmaßnahmen zur Förderung der Allgemeinmedizin brauchen - auch nicht einen Pflichtabschnitt im PJ", sagt HB-Vorsitzender Dr. Klaus Reinhardt.

Im Zuge der Reform der Approbationsordnung im Jahr 2012 wurden ein zweiwöchiges Blockpraktikum sowie eine Pflichtfamulatur in der hausärztlichen Versorgung eingeführt. Diesen Anteil der Allgemeinmedizin schätzen die Studenten mehrheitlich als "genau richtig" ein (58,1 Prozent), 26,6 Prozent halten ihn für zu niedrig.

Nach Ansicht des Vorsitzenden des Ausschusses Medizinstudierende im HB, Theodor Uden, müssen die bisherigen Anstrengungen in der Allgemeinmedizin an den Fakultäten intensiviert werden.

"Die Entwicklungen der bisherigen Anstrengungen generell in dem Fach müssen nun aber abgewartet werden", so Uden.

Keine "freiwilligen Landärzte"

Sollten junge Menschen, die sich frühzeitig freiwillig zu einer Tätigkeit als Hausarzt verpflichten, bessere Chancen auf einen Studienplatz bekommen? Eine klare Position haben die Studenten: 69,8 Prozent sind dagegen, 22,1 Prozent dafür.

Ob die Abiturnote weiterhin die zentrale Rolle bei der Zulassung zum Studium spielen soll, da sind sich die Befragten nicht einig: 48 Prozent plädieren für ja, 44,5 Prozent für nein. Laut Statistik haben 44,1 Prozent der Befragten einen Notendurchschnitt von 1,0 bis 1,4.

Aus Sicht der Teilnehmer sollten bei der Studentenauswahl das Persönlichkeitsprofil, erste Berufserfahrungen sowie das soziale Engagement eine Rolle spielen.

Geteilter Meinung sind die Studenten, ob es ein zentrales Auswahlverfahren ohne Einfluss der Universitäten geben sollte. 40,8 Prozent sind dagegen, 37,1 Prozent können sich eine bundesweite Verteilung vorstellen.

Trotz steigender Präferenzen zugunsten der Allgemeinmedizin reicht der Trend nicht aus, den vom Sachverständigenrat errechneten jährlichen Ersatzbedarf von bis zu 3000 Hausärzten zu decken. Diese große Zahl resultiert auch aus dem Zwei-Drittel-Anteil der Nachwuchs-Allgemeinärztinnen.

Dr. Klaus Reinhardt: "Auf die junge Generation können wir setzen"

Ärzte Zeitung: Welchen Eindruck haben Sie von der Generation der heutigen Nachwuchsmediziner, denen Sie begegnen?

Dr. Klaus Reinhardt: Das sind junge Menschen, die sich sehr ernsthaft, aber auch mit großer Freude und einer positiven Erwartungshaltung auf den Arztberuf vorbereiten. Wir sollten ihre veränderten Ansprüche an die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf nicht mit mangelnder Leistungsbereitschaft verwechseln, sondern ihren Wünschen entgegen kommen, soweit dies mit den Erfordernissen einer modernen Gesundheitsversorgung und der sie tragenden Strukturen vereinbar ist. Bei uns im Verband haben die Studierenden jedenfalls jede Menge frischen Wind gebracht, und der Dialog mit dieser Generation ist für alle Beteiligten ein echter Gewinn.

Wie kann die Allgemeinmedizin in Zukunft einen angemessenen Platz im Studium finden?

Reinhardt: Wir denken, und das belegt auch das Ergebnis unserer Umfrage, dass da schon sehr viel passiert ist. Entscheidend ist, dass wir das Fach im Studium und die spätere Berufsausübung so attraktiv gestalten, dass sich die angehenden Mediziner aus Überzeugung oder gar Begeisterung für die Allgemeinmedizin entscheiden. Mit aufgezwungenen Studieninhalten werden wir nicht viel erreichen. Das klare Nein der Studierenden zu Pflichtabschnitten, wie sie ja immer wieder in der politischen Diskussion sind, spricht da eine klare Sprache.

Es gibt Vorschläge, zum Beispiel vom Sachverständigenrat aber auch aus der Politik, jungen Menschen den Zugang zum Studium zu erleichtern, wenn sie sich zur späteren Tätigkeit als Allgemeinmediziner verpflichten. Warum ist der Hartmannbund gegen diese Vorschläge?

Reinhardt: Wir halten es für unrealistisch, Menschen in so jungem Lebensalter zu einer so weitreichenden Entscheidung zu zwingen. Dies, zumal sie das Spektrum und die unterschiedlichen Möglichkeiten, den Beruf des Arztes auszuüben, ja auch im Studium erst wirklich kennenlernen.

Sehen Sie Anzeichen dafür, dass Ihre Vorstellungen zu den Reformen im Rahmen des "Masterplan Medizinstudium 2020" in der politischen Diskussion aufgenommen werden?

Reinhardt: Wir haben uns ganz besonders auch im Bereich der Medizinstudierenden inzwischen als sehr ernst zu nehmende Größe etabliert. Das hat uns nicht zuletzt der Gesundheitsminister ausdrücklich bestätigt. Was wir zum Masterplan jetzt liefern können, sind die Stimmen und Meinungen von 7500 Studierenden. Daran kommt die Politik nicht mehr einfach so vorbei und ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass wir schon in intensiven Gesprächen mit den zuständigen Ministerien sind.

Wenn Sie die Ergebnisse der Umfrage betrachten: Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Arztberufes?

Reinhardt: Ganz im Gegenteil. Wenn wir angemessen darauf eingehen, was die jungen Frauen und Männer vom Arztberuf erwarten, dann wächst da eine Generation von Ärzten heran, auf die wir setzen können. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir müssen den angehenden Medizinern nicht jeden Wunsch erfüllen, das wird auch nicht möglich sein. Aber wir müssen sie ernst nehmen und uns ihren Fragen und Erwartungen offen und konstruktiv stellen.

Das Interview führte Rebecca Beerheide.

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