Arbeitsrecht
Asklepios muss Tarifbindung respektieren
Bei Betriebsübergängen bleiben auch im Klinikmarkt arbeitsvertragliche Tarifbindungen gültig.
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Das Bundesarbeitsgericht hat geurteilt: Auch nach der Übernahme eines Krankenhauses gilt die Tarifbindung weiter.
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ERFURT. Nach der Übernahme eines einst kommunalen Krankenhauses kommt der private Klinikbetreiber Asklepios nicht ohne Weiteres von den früheren öffentlichen Tarifverträgen los. Ein Hinweis im Arbeitsvertrag auf den jeweils aktuellen öffentlichen Tarifvertrag bleibt gültig, urteilte kürzlich das Bundesarbeitsgericht.
Im konkreten Fall geht es um die Kliniken Langen-Seligenstadt im Landkreis Offenbach. Sie standen früher in Trägerschaft des Landkreises, wurden aber 1995 privatisiert und gehören seit Mitte 2008 zu Asklepios.
Für die Arbeitnehmer galt der Tarif für Kommunale Einrichtungen bislang fort, zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in seiner kommunalen Fassung (TVöD-VKA). Asklepios will dies aber ändern. Dagegen wehrt sich eine seit 1986 in der Klinik arbeitende Stationshelferin. Ihr Arbeitsvertrag sichere ihr die Anwendung der jeweils aktuellen Tarife des öffentlichen Diensts zu (sogenannte "dynamische Verweisung").
Gestützt auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2013 zu einem Fall in England meinte Asklepios, dies sei nicht mit EU-Recht vereinbar. Danach handele es sich um einen unzulässigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit, wenn eine einmal festgelegte Tarifbindung gar nicht mehr geändert werden kann.
Den deutschen Klinik-Fall legte das Bundesarbeitsgericht dem EuGH vor. Der betonte in seiner Antwort, dass EU-Recht zwar nur die Löhne und Arbeitsbedingungen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs schützt. Aus der Privatautonomie von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ergebe sich jedoch, dass der Arbeitgeber sich auch darüber hinaus verpflichten kann.
Mit Arbeitnehmer einigen
Allerdings dürfen die alten tariflichen Vereinbarungen laut EuGH nicht in Stein gemeißelt sein. Voraussetzung für die weitere Bindungswirkung sei, dass dem Erwerber eines Betriebes Anpassungen möglich sind und er beispielsweise neue Arbeitsbedingungen "aushandeln" kann.
Wie danach nun abschließend das BAG entschied, ist diese Voraussetzung in Deutschland erfüllt. So könne sich ein Betriebserwerber wie hier Asklepios mit den Arbeitnehmern auf neue Arbeitsverträge einigen. Zudem könne er Änderungskündigungen aussprechen. Diese müssen nach deutschem Recht allerdings "sozial gerechtfertigt" sein. Das ist nach bisheriger BAG-Rechtsprechung insbesondere bei entsprechenden betrieblichen oder wirtschaftlichen Zwängen der Fall.
Ob und unter welchen Voraussetzungen auch der Wunsch des Erwerbers nach einer "Entdynamisierung" alter Arbeitsverträge Änderungskündigungen rechtfertigen kann, hatte das BAG hier noch nicht zu entscheiden. (mwo)
Bundesarbeitsgericht
Az.: 4 AZR 95/14