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AstraZeneca: Der Aktie hat der Streit mit der EU nicht geschadet
Der Streit mit der EU schadet dem Ansehen AstraZenecas an der Börse nicht. Die Aktie ist im Aufwind und die Mehrheit der Analysten sieht auch in Zukunft weiteres Kurspotential aufgrund der starken Medikamenten-Pipeline.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Es ist ein nie zuvor gesehener Konflikt in der Geschichte der Vakzin-Entwicklung. Auf der einen Seite steht die Europäische Union, ein Bund von 27 europäischen Staaten, der mit einem Bruttoinlandsprodukt von 16,.5 Billionen Euro die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt bildet. Auf der anderen Seite steht AstraZeneca, mit 21,9 Milliarden Euro Umsatz und rund 70.600 Beschäftigten einer der größten Arzneimittelhersteller der Welt.
Die EU wirft dem britisch-schwedischen Pharmakonzern seit Monaten vor, seine Lieferverpflichtungen gegenüber der Staatengemeinschaft mit dem Covid-19-Impfstoff Vaxzevria® nicht zu erfüllen. Bis Ende des zweiten Quartals dieses Jahres würde AstraZeneca der EU voraussichtlich insgesamt nur 100 Millionen Dosen statt der zugesagten 300 Millionen Dosen des Impfstoffs beschaffen. Deshalb bereitet die Staatengemeinschaft eine Klage gegen den Hersteller vor und hat den Ende Juni auslaufenden Liefervertrag mit ihm nicht verlängert. „Es fehlt das Vertrauen“, sagt EU-Justizkommissar Didier Reynders. „Es ist folglich unmöglich, künftig diesen Impfstoff zu kaufen.“
Analysten mehrheitlich pro Kauf
AstraZeneca wiederum sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. In dem mit der EU geschlossenen Vertrag seien lediglich „bestmögliche, vernünftige Anstrengungen“ zugesagt worden, um die avisierten Mengen des Impfstoffes zu liefern, teilt das Unternehmen mit. Produktionsschwierigkeiten im belgischen Werk eines Auftragsfertigers hätten dies aber verhindert.
Dem Börsenkurs des Pharmakonzerns hat der Streit mit der mächtigen EU nicht geschadet. Im Gegenteil: Allein in den vergangenen vier Wochen bis zum 17. Mai ist die Aktie um knapp zehn Prozent gestiegen, während der deutsche Leitindex Dax in derselben Zeit nur 1,4 Prozent gewonnen hat. Damit hat sich die Outperformance von AstraZeneca fortgesetzt. Auf Sicht der vergangenen zehn Jahren ist die Aktie 145 Prozent im Plus, gegenüber einem Zugewinn von 108 Prozent beim Dax. Auch die Mehrheit der Analysten lässt der Konflikt zwischen Unternehmen und EU-Kommission kalt. In den vergangenen drei Monaten gab es 19 Kauf-, eine Halte- und nur sechs Verkaufsempfehlungen, wie das Finanzportal Onvista zeigt.
„Die EU hat sich in dem Streit nicht gerade mit Ruhm bekleckert“, sagt Franz Kaim, geschäftsführender Gesellschafter der Stuttgarter Vermögensverwaltung Kidron. In dem von der Kommission im Januar veröffentlichten, jedoch in weiten Teilen geschwärzten Vertrag mit AstraZeneca ist – entsprechend den Aussagen des Unternehmens – mehrmals von „bestmöglichen, vernünftigen Anstrengungen“ zu lesen. „Den Imageverlust haben eher die Bürokraten in Brüssel als AstraZeneca“, so Kaim.
„Im historischen Vergleich günstig bewertet“
Zudem koste die Aktie von AstraZeneca nur das 21-fache des für 2022 erwarteten Jahresgewinns. „Damit ist das Papier im historischen Vergleich günstig bewertet“, so Kaim. Langfristig dürfte die Aktie auch davon profitieren, dass das Unternehmen seinen Vektorimpfstoff zum Selbstkostenpreis abgibt und damit Schwellenländern und Dritt-Welt-Nationen ermöglicht, ihre Bevölkerung gegen das Sars-CoV-2-Virus zu impfen. Kaim: „Angesichts des Drucks, den die neue US-Regierung auf die Medikamentenpreise ausübt, sendet AstraZeneca ein positives Signal an die Politik.“
Für weitere Kurssteigerungen spreche zudem die breite Produktpalette des Unternehmens, meint Hermann Ecker, Vermögensverwalter der Bayerische Vermögen Management in Bad Reichenhall. „AstraZeneca verfügt über genügend wirksame und anerkannte Arzneimittel, sodass der Streit mit der EU keine Rolle spielt.“ Entscheidend für Investoren sei vielmehr, dass „das Unternehmen mit der Entwicklung neuer Therapien in seinen Kernkompetenzen wie Onkologie und Erkrankungen der inneren Organe weiter vorankommt“.
Positive Pipeline-News
Jüngst genehmigte die US-Behörde FDA dem Antidiabetikunm Farxiga® (Dapagliflozin) die Indikationserweiterung zur Therapie chronischen Nierenerkrankungen Typ-2-Diabetikern. Ebenfalls in diesem Monat hat AstraZeneca eine Phase-III-Studie erfolgreich abgeschlossen, in der gezeigt wurde, dass die Kombination seines monoklonalen Antikörpers Durvalumab mit einer platinbasierten Chemotherapie die Überlebenschancen von Patienten mit Stadium-IV-Lungenkrebs deutlich verbessern kann.
Allerdings sollten Anleger nicht auf eine einzige Aktie aus einem Marktsegment setzen. Um Renditechancen zu steigern und Risiken zu reduzieren, sollten sie vielmehr entweder in einen Themenfonds investieren oder ihr Kapital über mehrere Werte streuen. Mediziner seien bei der Auswahl von Pharmatiteln in einer guten Position, meint Ecker. „Ärzte können die Qualität der Pipeline eines Pharmaunternehmens sehr viel besser beurteilen als andere Anleger.“