IGeL-Bedenkzeit

Atteste ausgenommen

Ein Tag Sperrfrist für IGeL, fordert der GKV-Spitzenverband. Auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" relativiert der Verband nun seine Forderung.

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Attest: Keine Sperrfrist trotz IGeL.

Attest: Keine Sperrfrist trotz IGeL.

© Martina Taylor / fotolia.com

BERLIN (maw). Die Forderung des GKV-Spitzenverbandes, im neuen Patientenrechtegesetz für IGeL eine generelle Bedenkzeit von 24 Stunden zwischen Angebot und Inanspruchnahme in der Praxis einzuführen, hat für Verwirrung auf Patientenseite geführt.

Muss eine Frau künftig zum Beispiel für eine Schwangerschaftsbestätigung für ihren Arbeitgeber zweimal binnen 24 Stunden in dieselbe - auf dem Land vielleicht 30 Kilometer entfernte - Praxis fahren, nur um sich das notwendige Attest abzuholen?

Zum Hintergrund: Bei diesem Attest handelt es sich nicht um eine Kassenleistung, sondern um ein IGeL-Angebot, das nach Nummer 70 GOÄ abzurechnen ist. Gleiches gilt für Schul- und Schulsportentschuldigungen.

"Nein!", lautet die Antwort der stellvertretenden Verbandssprecherin Ann Marini auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung".

Sie verweist dabei auf einen "in der Öffentlichkeit nicht beachteten Passus" der Stellungnahme ihres Verbandes zum Referentenentwurf des Patientenrechtegesetzes.

"Bei Bescheinigungen und Attesten, die der Versicherte außerhalb der GKV-Leistungspflicht auf eigene Kosten vom Vertragsarzt anfordert, handelt es sich nicht um eine Selbstzahlerleistung zur Diagnostik oder Therapie", lautet die entsprechende Passage.

Und: "Die Regelungen der Einwilligungssperrfrist finden deshalb hierauf keine Anwendung", lautet die entsprechende Passage.

Übrigens macht der Spitzenverband dort noch weitere Einschränkungen, was die 24-Stunden-Frist angeht: "Geht die Initiative für eine Selbstzahlerleistung vom Patienten aus (zum Beispiel weil die Entfernung einer Tätowierung gewünscht wird) und ist ein Praxisbesuch ausschließlich mit dieser Leistungserbringung verbunden, kann auf die 24-stündige Einwilligungssperrfrist verzichtet werden."

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Kommentare
Holger Warnat 28.08.201217:07 Uhr

Einmischung des GKV-Spitzenverbandes ohnehin unzulässig

Wir reden hier über ein Forderung des GKV-Spitzenverbandes. Wie soll das in der umsetzung aussehen? Der Beahndlungsvertrag im Rahmen der Wunschleistung hat mit der GKV nichts zu tun, sondern ist eine Angelegenheit rein zwischen Arzt und Patient. Diese kann berufsrechtlich ausgestaltet werden, aber nicht über den BMVAE... Auf die MBO hat der GKV-Spitzenverband doch kaum Einfluss. Ausserdem würde die Regelung doch gegen jeden Gleichheitsgrundsatz verstossen: der Kassenpatient muss einen Tag warten, ein nicht GKV-Patient kommt sofort dran?
Das Ganze ist vielleicht doch eher Schaumschlägerei als Substanz.

Das eigentliche Problem - unbezahlbares, unbegrenztes Leistungsversprechen bezahlt durch nicht kostendeckende Flatrate - soll durch Marketing und PR auf allen Ebenen vertuscht werden.

Eigentlich müsste die GKV über die IGEL-Einnahmen glücklich sein, werden doch oftmals aus IGEL-Leistungen unrentable GKV-Leistungen querfinanziert..

Holger Warnat

Dr. Thomas Georg Schätzler 18.08.201223:22 Uhr

"Erklärbär" @ Hajo Schroeder wg. "Triefende Häme"

Im Medizinstudium bekommen wir spätestens in Physiologie und Biochemie antrainiert, Vieles zu lesen o h n e es zu verstehen. Als ''medizynisches'' Überlebenstraining sozusagen. Ich selbst schließe mich davon nicht aus, manche Dinge nonchalant zu überlesen oder zu übergehen. Ihren "Häme"-Kommentar, geehrter Hajo Schröder, wollte ich zunächst auch übergehen. Aber es steckt etwas Grundsätzliches darin: Alles, was ich in meinem Kommentar über meine Patienten beispielhaft geschrieben habe, hat sich 1:1 so zugetragen.

Seit über 20 Jahren selbstständiger Praxistätigkeit bekommen z. B. a l l e Patienten ihre Laborergebnisse als Kopie mit auf den Weg - um Doppeluntersuchungen zu vermeiden und Auffälligkeiten zu dokumentieren. Was meine Sie, wie oft ich schon vorwurfsvoll gefragt wurde, warum ich denn nie auf "Zucker" untersucht hätte. Mein Labor beschreibt Glucose Werte, weil Disaccharide im Serum ungewöhnlich wären. Deshalb schreibe ich seit Jahren bei meiner üblichen Laborwerterörterung "BZ" dazu, als Beleg, dass ich Blutzucker verbalisiert habe.

In der Klinikausbildung haben wir leider viel zu oft gelernt, ü b e r den Patienten und nicht m i t ihm zu sprechen. Die kommunikative Patienten-Arzt-Beziehung ist in der Praxis dagegen umso wichtiger. Deshalb erfahre ich von meinen Patienten eher ungeschminkt von Heilpraktiker-Besuchen, paramedizinischem Hokuspokus und sozialen Anliegen. Nicht zuletzt, weil ich 10 Jahre in Gesundheitspädagogik, Prävention und Psychotherapie interdisziplinär gearbeitet habe.

Aber jeder, der mich kennt, ob Kollege/in oder Patient/-in weiß, dass ich genau hinschaue, hinhöre und Empfindungen reflektiere. Gab es in Klinik und Praxis früher problematische Befunde oder dramatische Entwicklungen, wurde ich von meinen Kollegen gerne als "Erklärbär" dazu geholt, weil ich komplizierte medizinische Sachverhalte verständlich auf den Punkt bringen konnte.

Mf+kG aus dem sonnigen Südtirol/Alto Adige, Ihr Thomas G. Schätzler










Dr. Birgit Bauer 02.08.201212:43 Uhr

Aus dem Herzen gesprochen !

Dem Kommentar von Herrn Kollg. Schätzler ist nichts hinzuzufügen !
Danke
M.f.G. B.Bauer

Dr. Thomas Georg Schätzler 02.08.201211:03 Uhr

GKV-Spitzenverband im Wolkenkuckucksheim?


Auf welcher noch unbekannten Galaxie lebt der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen? Die Lebenswirklichkeit in unseren Praxen ist ihm offensichtlich völlig unbekannt. Unsere Patienten/-innen kommen i. d. R. mit einem ganzen Bündel von Fragen: Herr Doktor, ist es ''was Schlimmes? Haben Sie auch meinen „Zucker“ gemessen (die Bedeutung von "Glucose" ist meist unbekannt)? Warum ist mein Cholesterinspiegel (trotz Eisbein mit Sauerkraut) immer so hoch? Was hat meinen Krebs verursacht? Bin ich daran selbst schuld? Wieso hat mein Nachbar einen Behindertenparkplatz? Warum ist mein GdB-Antrag noch nicht fertig? Wieso kriege ich keine Kur, wo ich so lange durchgearbeitet habe? Habe ich Laktose-, Galaktose-, Fruktoseintoleranz oder Zöliakie - ich habe alle im Internet beschriebenen Symptome? Meine Heilpraktikerin sagt, Schuld an meinem schlechten Zustand sind Würmer und Pilze im Darm, die allerdings so klein sind, dass das Labor sie nicht nachweisen kann - stimmt das? Warum kriege ich nicht die teuren KHK-Medikamente meines Nachbarn, die ich neulich mal probiert habe, und es mir gleich besser ging? Könnte ich nicht Borreliose haben? Wieso bekomme ich mit Rauchen Adipositas, Diabetes und hypertensiver Herzkrankheit einen Herzinfarkt und Altbundeskanzler Helmut Schmidt nicht? Usw. usf.

Im wirklichen Praxis-Leben kommen nach Abschluss krankheitsbezogener ärztlicher Anamnese, Untersuchung, Differentialdiagnostik und Therapie z e i t g l e i c h die entscheidenden IGeL-Probleme:

1. Ich bin immer müde, kaputt, ausgelaugt, lust- und/oder antriebslos.
2. Nach "Dr. Google" habe ich bestimmt "burn-out".
3. Ich habe sicherlich eine noch völlig unbekannte Krankheit. Und manchmal auch
4. Am Wochenende geht''s mit dem Flieger nach Kenia - da muss ich doch sicher nicht auf Irgendetwas achten?

Herr Doktor, können sie mir nicht wenigstens eine "Aufbauspritze" geben, dass ich wieder fit werde? Oder mindestens ein Ganzkörper-CT machen? Dann gibt''s doch noch diese "blauen Pillen"! Würden die nicht bei meinem metabolischen Syndrom, Adipositas, Hypertonie, Diabetes- und KHK-Risiko weiterhelfen?

Und dann sollen wir Vertragsärzte auch noch "die Regelungen der Einwilligungssperrfrist" nach dem Patientenrechtegesetz für IGeL erläutern? Kleine Zusatzfrage: Warum müssen nicht Gesetzgeber, GKV-Kassen und der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA, die massive Einschränkungen der GKV-Leistungspflicht u r s ä c h l i c h zu verantworten haben und diese über den G-BA auch permanent fortschreiben, die GKV-Versicherten nichtdar über informieren und aufklären. Das fällt eindeutig n i c h t in unser medizinisches Ressort.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

R. Mortag 02.08.201206:51 Uhr

1 - Tag Sperrfrist

Na mal sehen wo das hinführt. Bei der Behandlung von Patienten steht also nicht mehr die Behandlung im Vordergrund sondern nur noch die Zeit. Logische Konsequenz: Demnächst führen wir die Bedenkzeit bei allen Untersuchungen ein - Aufklärungsfrist- vor jeder Injektion 24 h vor jedem Röntgen 24 h , ..... Ist sich eigentlich jemand bewusst, dass es einen Mangel an Ärzten und Zeit im ambulanten Gesundheitssystem gibt - und das solche irrsinnigen Forderungen nur störend wirken. Wir brauchen nicht noch mehr Regelungswahn

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