Steuervorteil

Auch Unverheiratete können Kosten für künstliche Befruchtung absetzen

Die künstliche Befruchtung ist eine ziemlich aufwändige Behandlung. Das Finanzgericht Münster hat jetzt die Kosten auch bei Unverheirateten als außergewöhnliche Belastungen anerkannt – wenn die Behandlung berufsrechtlich erlaubt ist.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Künstliche Befruchtung: Die fünfstelligen Kosten sind nun auch ohne Trauschein absetzbar – vorbehaltlich einer Revision vor dem BFH.

Künstliche Befruchtung: Die fünfstelligen Kosten sind nun auch ohne Trauschein absetzbar – vorbehaltlich einer Revision vor dem BFH.

© Dmytro Sukharevskyy/stock.adobe.com

Münster. Auch Kosten für die künstliche Befruchtung einer unfruchtbaren Frau können zu steuerlich abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen führen. Das gilt unabhängig davon, ob die Frau in einer festen Beziehung lebt, wie das Finanzgericht (FG) Münster entschied.

Voraussetzung ist danach allerdings die Behandlung in einem der Bundesländer, in denen die ärztliche Berufsordnung eine „Kinderwunschbehandlung“ auch bei alleinstehenden Frauen erlaubt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das FG die Revision zum Bundesfinanzhof zu.

Klägerin nahezu unfruchtbar

Die Klägerin ist krankheitsbedingt nahezu unfruchtbar. 2017, kurz vor ihrem 40. Geburtstag, entschloss sie sich zu einer künstlichen Befruchtung abseits ihres Wohnsitzes. Die Kosten in Höhe von 12.246 Euro machte sie steuerlich als „außergewöhnliche Belastungen“ geltend.

Über ihren „Beziehungsstatus“ machte sie gegenüber dem Finanzamt keine Angaben. Es erkannte die Kosten daher nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Voraussetzung hierfür sei, dass die Frau zumindest in einer „gefestigten Partnerschaft“ lebe.

„Gefestigte Partnerschaft“ ist keine Voraussetzung

Dem widersprach nun das FG Münster. Danach muss das Finanzamt die Kosten der „Kinderwunschbehandlung“ in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen anerkennen.

Zur Begründung erklärten die Münsteraner Richter, die Empfängnisunfähigkeit der Klägerin sei „unabhängig von ihrem Familienstand eine Krankheit“.

Weiter heißt es in dem auch bereits schriftlich veröffentlichte Urteil vom 4. Juni 2020: „Die Bereitwilligkeit, mit der die hiervon Betroffenen erhebliche Kosten, große Mühen und unangenehme Behandlungen über sich ergehen lassen, belegt zudem den intensiven Leidensdruck. Insoweit verbietet es sich, den Steuerpflichtigen vorzuhalten, nur in einer gefestigten Beziehung seien die Kosten steuerlich berücksichtigungsfähig.“

Aufstellung der Reproduktionsmediziner über Zulässigkeit

Weitere Voraussetzung sei, dass die Behandlung „mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht“. Auch dies sei hier erfüllt gewesen. Denn die Behandlung sei ein einem Bundesland erfolgt, in dem die ärztliche Berufsordnung Kinderwunschbehandlungen auch bei alleinstehenden Frauen erlaubt. Eine gegenteilige Musterrichtlinie der Bundesärztekammer aus 2006 sei 2017 sogar aufgehoben worden.

Inzwischen hat die Mehrheit der Landesärztekammern ihre Regelungen an die neuen Vorgaben der Bundesärztekammer angepasst. Nach einer Aufstellung des Berliner Medizinrechtlers Holger Eberlein für den Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) in Saarbrücken ist aber die Behandlung in Bremen, Brandenburg, Hessen, Nordrhein, Westfalen-Lippe und Rheinland-Pfalz weiterhin auf Paare beschränkt.

Manche Kammern verlangen eine medizinische Indikation

Von den anderen Landesärztekammern verlangen mehrere eine medizinische Indikation, die für eine Steuerbegünstigung aber ohnehin Voraussetzung ist.

Nach dem Münsteraner Urteil muss das Finanzamt auch die Kosten der Samenbank für die Samenspende anerkennen, weil diese „mit der Behandlung eine untrennbare Einheit“ bildeten.

Bei verheirateten Paaren mit unfruchtbarem Mann habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) in München die Samenspende schon als eine Möglichkeit der „Behandlung“ anerkannt, ebenso bei lesbischen Paaren.

Finanzgericht Münster, Az.: 1 K 3722/18 E

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Was zur Prophylaxe wirklich nützt

© bymuratdeniz / Getty Images / iStock

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Was zur Prophylaxe wirklich nützt

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Fast jede Frau macht die Erfahrung einer Blasenentzündung. Häufigster Erreger ist E. coli.

© Kateryna_Kon / stock.adobe.com

Prophylaxe von Harnwegsinfekten

Langzeit-Antibiose nicht mehr First Line

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dermapharm AG
Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Experten-Workshop

Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Der Empfang der Gynäkologen-Praxis in Gütersloh: Vor allem die starke Patientinnenbindung überzeugte am Ende das MVZ, das die Praxis erwarb.

© Andreas Peters

Praxismanagement

Privatpraxis abzugeben? Das lässt sich regeln!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Finanzdienstleister MLP
Insgesamt lässt sich auf jeden Fall sagen, dass die Kosten an vielen Stellen schneller gestiegen sind als der Orientierungswert.

© Leafart - stock.adobe.com

Praxismanagement

So bekommen Sie steigende Praxiskosten in den Griff

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: apoBank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Wechselspiel zwischen Hirn und Pankreas

Demenz & Diabetes: Welche Vorteile das CGM bietet

Leckere und gesunde Ernährung

Remission bei Morbus Crohn: Das glückt auch mit einer rein oralen Diät

Lesetipps
Dreidimensionale medizinische Illustration von Nierenkrebs, die das Vorhandensein eines Tumors in der Niere zeigt.

© Crystal light / stock.adobe.com

Hinweis aus Registerstudie

Welchen Einfluss NSAR auf das Nierenkrebs-Risiko haben

Eine Frau greift sich mit beiden Händen um den Nacken.

© fizkes / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Leitlinien-Update

Polymyalgia rheumatica: Aktualisierte Empfehlungen sind online

Eine Ärztin tastet den Hals einer Frau zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen und Hypothyreose ab.

© Peakstock / stock.adobe.com

US-Review

Wie mit latenter Hypothyreose bei älteren Patienten umgehen?