Urteil

Auch im Notfall über Kosten aufklären!

Ein Privatarzt hatte einen Kassenpatienten nicht aufgeklärt, dass dieser die Notfallbehandlung selbst zahlen muss. Das kommt den Arzt teuer zu stehen: 1500 Euro.

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Auch im Notfall müssen Ärzte Patienten über Selbstzahlerleistungen aufklären, erklärten Richter.

Auch im Notfall müssen Ärzte Patienten über Selbstzahlerleistungen aufklären, erklärten Richter.

© Oliver Berg / dpa

SAARBRÜCKEN. Privatärzte müssen Patienten selbst vor einer Notfallbehandlung darüber informieren, dass sie die Behandlung privat zu begleichen haben.

Mit einem kürzlich veröffentlichten Beschluss bestätigte der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in Saarbrücken eine Geldbuße gegen einen Arzt, der diese Information unterlassen hatte.

Der Beschwerdeführer war ursprünglich Vertragsarzt in Saarbrücken. Wegen gröblicher Verletzung vertragsärztlicher Pflichten wurde ihm jedoch 2000 die Zulassung entzogen.

Im Zuge des Gerichtsstreits kam es zu einem Vergleich, wonach der Arzt zum Jahresende 2004 auf seine Zulassung verzichtete.

Seitdem führt er eine privatärztliche Praxis. Mit dieser Praxis trat er öffentlich als Betreiber eines ärztlichen Notfalldienstes auf. Auch im Telefonbuch hatte er einen entsprechenden Eintrag.

Formular allein reicht nicht

An einem Samstag im März 2006 bekam der gesetzlich krankenversicherte S. hohes Fieber. Seine Lebensgefährtin fragte bei der Telefonauskunft nach dem ärztlichen Notfalldienst und bekam die Nummer der Privatpraxis.

Sie rief zunächst dort an und brachte dann ihren Lebensgefährten dort hin. Der Arzt ließ den Patienten ein Formular der Privatärztlichen Verrechnungsstelle unterschreiben.

Irgendwelche Erläuterungen, dass die gesetzliche Krankenkasse die Behandlung nicht bezahlt, gab er nicht.

Von der Verrechnungsstelle erhielt der Patient eine Rechnung über 276 Euro. Er beschwerte sich bei der Ärztekammer des Saarlandes.

Das unscheinbare Formular der privatärztlichen Verrechnungsstelle habe ihm der Arzt mit den Worten gegeben, er brauche noch eine Unterschrift, damit er ihn behandeln dürfe.

Auch die Staatsanwaltschaft interessierte sich für den Arzt. Ein Strafverfahren wegen dieses und fünf ähnlicher Fälle wurde aber schließlich gegen Zahlung einer Geldbuße von 5000 Euro eingestellt.

Verstoß gegen Berufsordnung

Das Ärztegericht wartete das Strafverfahren zunächst ab und verhängte dann eine Geldbuße in Höhe von 1500 Euro. Der Ärztegerichtshof hatte dies bestätigt. Der Arzt habe gegen die Berufsordnung und auch gegen den Bundesmantelvertrag verstoßen.

Danach sei die Privatbehandlung eines gesetzlich versicherten Patienten nur auf dessen Wunsch hin zulässig. Der Patient müsse dann auch vor der Behandlung einschätzen können, welche Kosten auf ihn zukommen.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der Arzt gegen die berufsrechtliche Geldbuße. Kassenpatienten seien verpflichtet, von sich her ihre Gesundheitskarte vorzulegen. Dies habe der Patient nicht getan. Daher habe er die Behandlung privat in Rechnung stellen dürfen.

Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Zwar greife die Sanktion in die Berufs- und Handlungsfreiheit des Arztes ein. Dies sei aber gerechtfertigt, entschied der Verfassungsgerichtshof.

Laut Berufsordnung müssten Ärzte ihren Beruf "gewissenhaft ausüben" und dem ihnen entgegengebrachten Vertrauen entsprechen. Dazu gehöre es, dass der Arzt seine Patienten über Kosten informiert, die voraussichtlich nicht von seiner Krankenversicherung bezahlt werden.

Im Notdienst erlaube das Gesetz auch Privatärzten eine Abrechnung über die gesetzlichen Kassen, wenn ein Vertragsarzt nicht zur Verfügung steht. Es sei naheliegend, dass hier der Patient von einem solchen Sachverhalt ausgegangen sei.

So oder so habe der Arzt seinen Patienten aber über die Kosten informieren müssen. Denn erst nach einer entsprechenden Aufklärung könne er "frei entscheiden, ob er auf eigene Kosten behandelt werden möchte".

Diese Pflicht diene dem Gemeinwohl, hier "dem Schutz der Selbstbestimmung einer erkrankten Person auch in wirtschaftlicher Hinsicht".

"Ein behandelnder Arzt muss immer davon ausgehen, dass ein Patient gesetzlich krankenversichert ist und damit rechnet, dass die in Anspruch genommene Leistung in der Regel nicht von ihm, sondern durch seine gesetzliche Krankenkasse bezahlt wird", heißt es in dem Beschluss.

Auch gehöre es "zu den Pflichten des Arztes, den Versicherten nach der Versichertenkarte zu fragen". Im konkreten Fall sei die Behandlung auch nicht so dringlich gewesen, dass dies einer Aufklärung entgegengestanden hätte.

Der Patient habe zwar hohes Fieber gehabt, sei aber zugänglich und ansprechbar gewesen. (mwo)

Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, Az.: Lv 9/13

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