DRG-Streit
BSG erlaubt weiter Klinikklagen
Seit Einführung der Fallpauschalen streiten Kassen und Krankenhäuser immer häufiger über das Honorar. Im Zweifel sollen Schiedsstellen schlichten - doch bisher gibt es keine einzige. Das Urteil des Bundessozialgerichts lässt Kliniken nun hoffen.
Veröffentlicht:KASSEL. Auch auf Honorarzahlungen der gesetzlichen Krankenkassen bis 2000 Euro können Krankenhäuser bis auf Weiteres uneingeschränkt klagen.
Der gesetzliche Schlichtungszwang greift nicht, solange es keine arbeitsfähigen Schlichtungsstellen gibt, die ihre Zuständigkeit öffentlich angezeigt haben, wie am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied. Andernfalls verstoße die Zwangsschlichtung gegen das Grundgesetz.
Seit Einführung der DRG streiten Krankenhäuser und Krankenkassen immer häufiger, welche Fallpauschale im Einzelfall greift oder ob eine Überschreitung der vorgegebenen Verweildauer notwendig war und gesondert zu vergüten ist.
Hoher Aufwand für Sozialgerichte
Die zuständigen Sozialgerichte können dies meist nur mit hohem Aufwand unter Hinzuziehung von Sachverständigen klären. Laut Gesetz sollen daher Krankenhäuser und Krankenkassen auf Landesebene Schiedsstellen für solche Streitigkeiten einrichten.
Honorarklagen bis 2000 Euro sind seit August 2013 unzulässig, wenn nicht vorher ein Schiedsverfahren durchgeführt wurde. Dadurch sollen die Sozialgerichte entlastet werden.
Allerdings wurde bundesweit bislang noch keine einzige solche Schlichtungsstelle wirksam eingerichtet. Soweit sie überhaupt gebildet wurden - etwa in Hamburg und Nordrhein-Westfalen - sind sie noch nicht arbeitsfähig. Hintergrund der Verzögerungen sind vermutlich die hohen Kosten solcher Schlichtungsstellen.
Zudem wird teilweise ihr Sinn infrage gestellt, weil gerade große Krankenhäuser meist ohnehin eine außergerichtliche Einigung suchen, soweit es nicht um häufige Grundsatzfragen geht.
Pflegesatz-Schlichtungsstellen zuständig
Der Gesetzgeber hat daher inzwischen die Pflegesatz-Schlichtungsstellen für ersatzweise zuständig erklärt. Diese sollen seit September 2014 auch die Honorarstreitigkeiten klären, solange hierfür keine gesonderte Schlichtung eingerichtet ist.
Unterdessen haben viele Kliniken auch ohne Schlichtung geklagt. Nach Schätzungen sind zumindest mehrere Hundert Verfahren bei den Sozialgerichten anhängig.
Über diese und bis auf Weiteres auch über alle neuen Klagen müssen die Sozialgerichte nun entscheiden. Der gesetzliche Schlichtungszwang ist derzeit unwirksam. Nach dem Kasseler Urteil gilt dies ausdrücklich auch für die Ersatz-Schlichtungsstellen.
Zur Begründung verwies das BSG auf die verfassungsrechtliche Garantie eines effektiven Rechtsschutzes. Danach könne eine Schlichtung nur dann Voraussetzung für eine Klage sein, "wenn dieser Ausschuss tatsächlich angerufen werden kann".
Berliner Sozialgericht muss nun urteilen
Über den konkreten Fall einer Honorarklage des Berliner Uniklinikums Charité über 1018 Euro gegen die Krankenkasse DAK Gesundheit muss daher nun das Sozialgericht Berlin inhaltlich entscheiden. Zum Klagezeitpunkt Ende 2013 habe es in Berlin keine Schlichtungsstelle gegeben.
Aber auch die Ersatz-Schlichtungsstellen müssen Krankenhäuser und Krankenkassen bislang nicht anrufen. Denn Klarheit über den vorgegebenen Rechtsweg sei "unverzichtbar", betonte das BSG.
Die Zwangsschlichtung sei daher erst dann verbindlich, wenn eine Schlichtungsstelle "tatsächlich handlungsfähig ist" und ihre Zuständigkeit den Kassen und Krankenhäusern "verbindlich angezeigt" hat.
Hintergrund ist hier offenbar, dass die für die Pflegesätze zuständigen Schlichtungsstellen nicht unbedingt das Know-how für die Honorarstreitigkeiten haben. Zudem tagen sie bislang meist nur ein Mal im Jahr.
Um der neuen Aufgabe gewachsen zu sein, müssten sie sich daher völlig neue und ebenfalls teure Strukturen schaffen. Darauf haben sich diese Schlichtungsstellen bislang nicht eingerichtet. (mwo)
Bundessozialgericht: Az.: B 3 KR 7/14