Mit dem Rollstuhl in die Praxis

Barrierefreiheit - Traum oder Wirklichkeit?

Der Begriff Barrierefreiheit hat in den vergangenen Jahren Karriere gemacht. Auch viele Kollegen spielen mit dem Gedanken, ihre Praxis barrierefrei werden zu lassen. Doch wie? Nun gibt es einen Leitfaden.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Mit einem behindertengerechten Aufzug können Praxen bei Patienten im Rollstuhl punkten. Er erleichtert den Zugang zur Praxis.

Mit einem behindertengerechten Aufzug können Praxen bei Patienten im Rollstuhl punkten. Er erleichtert den Zugang zur Praxis.

© Stefan Redel / fotolia.com

BERLIN. Taube, blinde, geistig oder körperlich behinderte sowie in ihrer Mobilität eingeschränkte Patienten gehören in den meisten Hausarztpraxen zum Alltag.

Doch: Sind die Praxisräumlichkeiten auf die speziellen Bedürfnisse dieser Zielgruppen zugeschnitten?Ist auch jeder Mitarbeiter im Praxisteam für die spezifischen Anforderungen an eine adäquate Patientenkommunikation geschult?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat nun in der Reihe "PraxisWisssen" die Broschüre "Barrieren abbauen. Ideen und Vorschläge für Ihre Praxis" herausgegeben.

Rundgang steht am Anfang

Alles auf dem Weg zur Barrierefreiheit beginnt, so die Broschüre, mit einem diagnostischen Rundgang durch die Praxis - am besten mit einem kritischen Patienten oder auch Vertretern anderer Heilberufe. So könnten zum Beispiel Ergotherapeuten hinzugezogen werden.

Dabei geht es auch um vermeintliche Banalitäten: Sind Hausnummer, Praxisschild und Klingel gut sichtbar? Kann die Eingangstür leicht geöffnet werden? Kann ein Rollstuhlfahrer passieren, ohne sich am Türrahmen zu stoßen?Wie ist der Zustand des Fußbodens, gibt es Stolperfallen?

Auch das Exterieur kann darüber entscheiden, ob Patienten aus den Zielgruppen potenziell vom Besuch der Praxis abgehalten werden. Gibt es am Gebäude Behindertenparkplätze? Ist der Weg vom Parkplatz zur Praxis ausgeschildert?

Gibt es lose Pflastersteine oder Sandflächen, die schwer zu überwinden sind? Gibt es Furchen oder Senken, in denen sich bei Regen Pfützen bilden? Wie lassen sich solche Barrieren beseitigen? Das sind nur einige der Fragen.

Die KBV-Broschüre überfrachtet Praxisteams zum Glück nicht mit theoretischen Abhandlungen über den Zielerreichungsgrad einer barrierefreien Praxis, sondern stellt die Praktikabilität entsprechender Maßnahmen in der Praxis in den Mittelpunkt.

Das Beispiel des Facharzt-Internisten Dr. Carsten Petersen aus Schleswig zeigt, dass schon kleine Schritte in Richtung Barrierefreiheit große Wirkung bei den betroffenen Patientengruppen haben können.

Petersen, der in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis tätig ist, verweist auf ein kleines, aber sturzpräventives Detail: Die Behandlungsliegen seien bewusst per Hebel höhenverstellbar, damit keine Kabel als Stolperfallen herumlägen.

Großschrift erleichtert Orientierung

Schon etwas anspruchsvoller präsentiert er den Eingangsbereich der Praxis. Hier gibt es kostenlose Parkplätze am Haus, eine Busstation in der Nähe, eine Rampe, elektrische Türöffner auf Hüfthöhe sowie einen Fahrstuhl mit Blindenschrift auf den Tasten.

Erst am Anfang

Nur knapp 30 Prozent der Ärzte in Deutschland erfüllen nach einer jüngsten Erhebung der Hamburger Stiftung Gesundheit vom Mai vergangenen Jahres ein oder mehrere Kriterien der Barrierefreiheit in ihren Praxen.

Nach Angaben der Stiftung treffen damit 68.000 Ärzte mindestens eine Vorkehrung, damit ihre Praxis barrierefrei ist.

152.000 Ärzte haben dagegen noch keinerlei Maßnahmen für behinderte Patienten durchgeführt.

Die KBV-Broschüre zum Download: www.kbv.de

Auch im Sanitärbereich ist Petersens Praxis auf Patienten im Rollstuhl eingerichtet. So seien die Türen zur Toilette breit genug. Im WC-Bereich sei das Waschbecken mit dem Rollstuhl unterfahrbar. Zudem sei der Papiertuchspender vom Rollstuhl aus erreichbar.

Auch bei der Kommunikation können Praxisteams mit kleinen Kniffen bereits potenziellen Hindernissen begegnen. So helfe zum Beispiel eine große und schnörkellose Schrift bei der Orientierung.

So könne die Beschriftung "Behandlungszimmer" oder "Labor" ruhig die gesamte Türfläche ausfüllen, rät die Broschüre. Bei Glastüren sollte auf Kontrastelemente geachtet werden, um Unfälle zu vermeiden.

Aber auch im Kontakt mit Patienten spielt die Kommunikation eine wesentliche Rolle, um Barrieren im Praxisalltag abzubauen.

So solle zum Beispiel ein stark sehbehinderter Patient zum Beispiel von einer Medizinischen Fachangestellten persönlich am Eingang abgeholt und zum Tresen sowie zur Garderobe begleitet werden.

Anhand von zahlreichen Checklisten verweist die Broschüre auf Ansatzpunkte, wo, wie und mit wessen Hilfe die einzelnen Bereiche der Praxis teilweise oder vollkommen barrierefrei gemacht werden können.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Barrierefrei um jeden Preis?

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