Bundesarbeitsgericht

Bei Beleidigung des Chefs im WhatsApp-Chat droht Jobverlust

Wie vertraulich ist eine Chatgruppe bei WhatsApp? Und droht der Rauswurf, wenn Beleidigungen von Kollegen aus den Chats öffentlich werden? Das Bundesarbeitsgericht sagt: ja – unter Bedingungen.

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Daumen am Handy

Beleidigungen von Kollegen im Chat können eine Kündigung rechtfertigen, sagt das Bundesarbeitsgericht.

© Zacharie Scheurer / dpa

Erfurt. Es gibt sie tausendfach: Geschlossene Chatgruppen im Internet - auch von Arbeitskollegen, die im vermeintlich vertraulichen digitalen Raum auch mal pöbeln oder sogar wüst beleidigend über ihre Chefs oder Kollegen herziehen. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) macht nun deutlich: Es kann im Extremfall den Job kosten, wenn der Inhalt solcher Chats öffentlich wird.

Verhandelt wurde der Fall einer WhatsApp-Gruppe von befreundeten Arbeitskollegen, die in Hannover-Langenhagen bei der Fluggesellschaft TUIfly beschäftigt waren. Das BAG entschied, dass Mitglieder geschlossener Chatgruppen sich bei beleidigenden, rassistischen oder sexistischen Äußerungen über Arbeitskollegen nur im Ausnahmefall auf den Schutz durch Vertraulichkeit berufen können, wenn es zu einer außerordentlichen Kündigung kommt (2 AZR 17/23). Es hob damit eine Entscheidungen der Vorinstanzen in Niedersachsen auf, die eine „berechtigte Vertraulichkeitserwartung“ der Mitglieder von geschlossenen Chats angenommen hatten - also Verschwiegenheit.

Vertrauenswürdigkeit ist nicht automatisch geschützt

Ob es sich bei Chatgruppen um eine geschützte, vertrauliche Kommunikation handele, hänge von der Art der Nachrichten sowie der Größe und Zusammensetzung der Gruppe ab, heißt es in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Im Zweifelsfall müssten ihre Mitglieder nachweisen, warum sie einander vertrauen durften.

In der Gruppe aus Niedersachsen habe es krasse Beleidigungen gegeben, „die der Senat nicht wiedergeben möchte“, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Koch in der Verhandlung. Bis zu sieben befreundete Arbeitskollegen der Fluggesellschaft hatten über Jahre die WhatsApp-Gruppe gebildet und fleißig Nachrichten über ihre privaten Smartphones ausgetauscht - auch mit Beschimpfungen und Beleidigungen Dritter. Vor den geplanten Umstrukturierungen bei der Fluggesellschaft wurde ein Teil des Chat-Verlaufs kopiert und gelangte zunächst an den Betriebsrat und dann an den Personalchef - immerhin ein 316-seitiges Dokument.

Gefahr der Weiterleitung an die Öffentlichkeit

Dem Personalchef des Unternehmens wurde beim Lesen einiges zugemutet: Die Chats enthielten beleidigende, rassistische, teilweise menschenverachtende und sexistische Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt - unter anderem ist von „in die Fresse hauen“ die Rede. Der Arbeitgeber reagierte mit außerordentlichen Kündigungen, denen der Betriebsrat zustimmte.

Letztlich ging es bei dem Verfahren um die grundsätzliche Frage, ob eine WhatsApp-Gruppe unter Kollegen eine Art geschützter Raum ist. „Bei kleinen, geschlossenen Chatgruppen wie oft bei WhatsApp ist die bisherige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte unterschiedlich“, sagte der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing der Deutschen Presse-Agentur.

Er verwies darauf, dass Chat-Inhalte stets weitergeleitet oder gespeichert werden könnten - anders als das gesprochene Wort im privaten Raum. Beleidigungen mit betrieblichem Bezug sind laut Thüsing „ein klassischer Grund für außerordentliche Kündigungen“. (dpa)

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