Landesärztekammer

Berufsrechtsverstöße in Thüringen: Jeder zweite Hinweis hat mit Corona zu tun

Seit Pandemiebeginn hat die Landesärztekammer Thüringen wegen COVID-19 bereits in 72 berufsrechtlichen Verfahren ermittelt. In einem Fall droht einem Hausarzt der Entzug der Approbation.

Von Katrin Zeiß Veröffentlicht:
Oft heikles Thema: Ärztliche Befreiung vom Mund-Nasen-Schutz.

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© U. J. Alexander / stock.adobe.com

Erfurt. Die Landesärztekammer Thüringen hat seit Beginn der Corona-Pandemie bislang 72 Verdachtsfälle auf berufsrechtliche Verstöße im Corona-Zusammenhang geprüft. Jeder dritte Fall betrifft Gefälligkeitsatteste zur Befreiung von der Maskenpflicht, wie eine Kammersprecherin auf Anfrage sagte. Ermittelt werde auch gegen Ärzte, die das Coronavirus leugnen, gegen Hygienevorschriften verstoßen oder sich auf Demonstrationen unkollegial verhalten. In drei Fällen wurden berufsrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet, die derzeit noch andauern.

In einem ersten Fall drängt die Kammer auf approbationsrechtliche Konsequenzen für einen Hausarzt, der im Verdacht steht, mehrfach Gefälligkeitsatteste für Masken-Gegner ausgestellt zu haben. Gegen diesen Mann ist nach Angabe der Sprecherin Strafanzeige erstattet worden. Die Kammer habe den Sachverhalt zugleich dem Landesverwaltungsamt mitgeteilt – mit der Empfehlung, approbationsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Das könnten ein Entzug oder das Ruhen der Zulassung sein. Das Landesverwaltungsamt ist die Approbationsbehörde Thüringens.

Deren Sprecher sagte, vor einem Zulassungsentzug müssten zunächst die strafrechtlichen Ermittlungen und das Votum der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Sowohl das Gesetz als auch die Rechtsprechung sähen hohe Hürden für Eingriffe in die ärztliche Berufsfreiheit vor.

Bislang 677 Patientenbeschwerden in 2021

Allein in diesem Jahr hatte nach Angaben der Thüringer Kammer etwa die Hälfte der dort eingegangenen 677 Patientenbeschwerden und berufsrechtlichen Angelegenheiten etwas mit Corona zu tun. Teils ging es um die Nichteinhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen in Praxen und Kliniken, teilweise monierten Patienten aber auch aus ihrer Sicht zu strenge Hygienemaßnahmen. Andere beschwerten sich, weil sie beim Arztbesuch vor der Praxis warten mussten, nachdem im Wartezimmer nur eine enger begrenzte Anzahl Personen erlaubt wurde. Die Landesärztekammer Thüringen hat rund 13 .000 Mitglieder, rund 9500 von ihnen sind berufstätig.

Für Schlagzeilen gesorgt hatte auch der Fall eines ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten aus Thüringen, der von Beruf Arzt ist. Auch gegen ihn wurde ein berufsrechtliches Verfahren eingeleitet. Er hatte im Sommer 2020 auf einer Corona-Demonstration in Berlin ein Schmähplakat gegen den Virologen Christian Drosten getragen.

Kammer hat erst eine Impfpassfälschung auf dem Tisch

Derweil spielen mögliche Impfpassfälschungen bei der Thüringer Kammer noch keine Rolle. Bislang sei erst ein Fall wegen des Verdachts auf das Ausstellen und Inverkehrbringen gefälschter Impfausweise gemeldet, so die Sprecherin. Die Prüfung obliege allerdings zunächst den Strafverfolgungsbehörden, da zunächst zu klären sei, ob es sich bei dem Ausstellenden um einen Arzt handelt.

Das Thüringer Landeskriminalamt ermittelt in Dutzenden Fällen wegen möglicher Impfpassfälschungen. Nach dessen Einschätzung versuchten Menschen meist, mit einem gefälschten Impfpass in der Apotheke ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Die Ermittler gehen davon aus, dass die gefälschten Impfpässe über Messengerdienste und im Internet angeboten werden.

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Kommentare
Dr. Martin P. Wedig 21.12.202121:30 Uhr

Gefälligkeitsatteste betreffen Wirtschaftskriminalität. Mehr noch, wenn der Beschuldigte angibt rein aus Gefälligkeit ohne jede Gegenleistung attestiert zu haben. Ein Berufsverbot trifft den Strafbestand nicht. Dagegen können hohe Strafmaße aus dem wirtschaftlichen Schaden in der Folgekette der Attestierung abgeleitet werden. Der Besitzstand der Täter und die weitere Berufstätigkeit läßt die Bedienung des Schadens zu, gerade dann wenn die Schädiger eine vorsorgliche Entreicherung betrieben haben.

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