Bundesgerichtshof

Betreuungsverfügung einer Seniorin erneut auf Prüfstand

Der Bundesgerichtshof hat eine Betreuungsverfügung gekippt, nachdem eine Seniorin mit fachärztlichem Gutachten dagegen vorgegangen war.

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Karlsruhe. Im Streit um eine Betreuung dürfen Gerichte und Sachverständige die Meinung der behandelnden Ärzte nicht einfach übergehen. Kommt es zu einem offenen Widerspruch, ohne dass sich der Sachverständige damit auseinandergesetzt hat, ist die Betreuungsverfügung unwirksam, wie jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied.

Damit kommt die vom Landgericht München II für eine heute 83-jährige Frau beschlossene Betreuung neu auf den Prüfstand. Ihr Ehemann lebt in einem Pflegeheim. Zusammen haben sie vier Kinder, wobei das Verhältnis einer Tochter zum Rest der Familie zerrüttet ist.

Betreuung erneut auf Prüfstand

Nach einem Sturz in der eigenen Wohnung hatte die Unfallklinik die Einrichtung einer Betreuung angeregt. Das Amtsgericht Dachau hatte hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt und danach eine umfassende Betreuung durch eine Berufsbetreuerin angeordnet.

Im Beschwerdeverfahren reichte die Frau einen Klinik-Entlassungsbericht und die Stellungnahme einer Fachärztin für Neurologie und Psychotherapie ein. Beide bescheinigen altersgerechte und nur wenig eingeschränkte kognitive Leistungen. Dennoch hat das Landgericht die Beschwerde abgewiesen und die Betreuung bestätigt. Nach dem Sachverständigengutachten sei die Frau zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage. Grund seien vermutlich organische Veränderungen des Gehirns.

Diese Entscheidung hob der BGH nun auf. Es stehe nicht fest, dass die Frau tatsächlich nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.

Gutachten ohne Untersuchung lässt Fragen offen

Zur Begründung verwies der BGH auf einen „offenen Widerspruch“ zwischen dem Sachverständigengutachten auf der einen und dem Entlassungsbericht sowie der fachärztlichen Stellungnahme auf der anderen Seite. Auch eine vom Amtsgericht eingeholte ergänzende Stellungnahme des Gutachters setze sich damit nicht auseinander.

So sei völlig unklar, wie der Sachverständige auf die Diagnose organischer Hirnveränderungen komme. Eine entsprechende Untersuchung habe er nicht gemacht. Demgegenüber habe die Klinik die Frau gründlich untersucht und danach organische Veränderungen des Gehirns und eine Demenz ausdrücklich ausgeschlossen.

Entsprechend habe die Klinik eine Entlassung in die eigene Wohnung befürwortet. Auch die Neurologin habe nur eine leichte kognitive Beeinträchtigung diagnostiziert und keine Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit gesehen. (mwo)

Bundesgerichtshof Karlsruhe, Az.: XII ZB 443/19

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