Prävention

Bundesverfassungsgericht bestätigt Masern-Impfpflicht

Die 2020 eingeführte Masern-Impfpflicht unter anderem für Kita-Kinder ist zumutbar, entschied am Donnerstag das Bundesverfassungsgericht.

Veröffentlicht: | aktualisiert:
Seit 2020 müssen Kinder, die eine Kita besuchen sollen, gegen Masern geimpft sein. Eltern hatten dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt – erfolglos.

Seit 2020 müssen Kinder, die eine Kita besuchen sollen, gegen Masern geimpft sein. Eltern hatten dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt – erfolglos.

© Zerbor / stock.adobe.com

Karlsruhe. Die Masern-Impfpflicht für Kinder in Kitas und Tagespflegeeinrichtungen ist verfassungsgemäß. Die Nachweispflicht über einen ausreichenden Masernschutz für den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen wie einer Kita ist nicht nur der „Gesundheit der Kinder dienlich“, sie schützt auch vulnerable Menschen wie Schwangere und bezweckt, die Weiterverbreitung der Masern zu verhindern, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag (18. August) veröffentlichten Beschluss. Die Karlsruher Richter bekräftigten damit den hohen Stellenwert von Impfungen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung.

Mehrere Eltern und ihre Kinder hatten Verfassungsbeschwerde gegen das seit März 2020 geltende Masernschutzgesetz eingelegt. Darin hatte der Gesetzgeber festgelegt, dass für alle nach 1970 geborenen Personen, die in einer „Gemeinschaftseinrichtung“ betreut werden oder dort tätig sind, der Nachweis eines ausreichenden Masernschutzes vorgelegt werden muss.

Einrichtungsbezogene Impfpflicht

Dies gilt etwa für Kitas, Tagespflegeeinrichtungen, Schulen oder Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber. Ohne den Nachweis einer Masern-Impfung oder dem ärztlichen Zeugnis einer Masern-Immunität darf die betroffene Person dort nicht tätig oder betreut werden. Nur für schulpflichtige Kinder und Jugendliche gilt das Betreuungsverbot bei nicht nachgewiesener Impfung nicht. Aber auch schulpflichtige Kinder sind nicht von der Nachweispflicht befreit.*

Die Bestimmungen verletzten ihr verfassungsrechtliches Elterngrundrecht und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit, rügten mit ihrer Verfassungsbeschwerde die beschwerdeführenden Eltern und Kinder. Ungeimpfte Kinder würden in unverhältnismäßiger Weise von der Betreuung in einer Kita oder in einer Tagespflegeeinrichtung ausgeschlossen.

In Deutschland sei eine Masern-Impfung nur mit der Gabe von Kombinationsimpfstoffen möglich, die sich auch gegen Röteln, Mumps oder Windpocken richteten. Die Kinder seien damit für den Besuch einer Kita faktisch gezwungen, sich gegen mehrere Erkrankungen impfen zu lassen.

„Angemessen und verhältnismäßig“

Doch das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem Beschluss vom 21. Juli 2022, dass die Nachweispflicht einer Masern-Impfung oder eines ärztlichen Zeugnisses über eine Masern-Immunität „angemessen und verhältnismäßig“ sei.

„Die Vornahme empfohlener Impfungen“ seien „der Gesundheit des Kindes dienlich“. Dem Eingriff in das Elternrecht komme „insoweit kein besonders hohes Gewicht zu“, heißt es in dem Beschluss. Der Gesetzgeber habe „einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, nämlich den Schutz vulnerabler Personen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung“ verfolgt.

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Denn gerade vulnerable Menschen wie Schwangere und Säuglinge könnten sich nicht mit einer Masernimpfung schützen. Sie seien darauf angewiesen, dass eine Herdenimmunität besteht. Dies sei bei einer Impfquote von 95 Prozent der Fall. Die gesetzliche Nachweispflicht über eine Masernimpfung solle Druck auf die Eltern ausüben, um die Impfquote zu erhöhen. Dies sei legitim. Denn „dem Schutz der Bevölkerung kommt ein hohes Gewicht zu“, entschieden die Verfassungsrichter.

Die Kinder mit fehlendem Masernschutz seien auch nicht gänzlich von einer Frühförderung ausgeschlossen. So könnten sie auch familienübergreifend „im selbstorganisierten privaten Bereich“ betreut werden.

Lauterbach: „Gebot der Vernunft“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bvrgüßte am Donnerstag den Beschluss aus Karlsruhe als „eine gute Nachricht für Eltern und Kinder“. Eine Masernerkrankung, so der Minister, sei „lebensgefährlich – für die Erkrankten und ihr Umfeld“. Es sei deshalb „Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen wie KiTa oder Schule zu vermeiden. Wer dort betreut oder unterrichtet wird und wer dort arbeitet, muss nachweislich vor einer Maserninfektion geschützt sein. Und für alle anderen ist die Masernimpfung ein Gebot der Vernunft.“ (dpa)

* Zunächst hatte es geheißen: Schulpflichtige Kinder und Jugendliche seien von der Nachweispflicht befreit. Auf Hinweis eines freundlichen Lesers ist die Änderung erfolgt, dass für diese Kinder und Jugendliche kein Betreuungsverbot gilt, wenn keine Impfung nachgewiesen ist. Aber die Nachweispflicht gilt für alle Kinder und Jugendliche.

Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvR 469/20 (und weitere)

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Kommentare
Dr. Udo Langenhorst 19.09.202214:08 Uhr

Sehr geehrte Redaktion!

Leider ist Ihnen mit diesem Artikel ein rel. fataler Fehler unterlaufen:
Im Absatz mit der Überschrift "EINRICHTUNGSBEZOGENE IMPFPFLICHT" muss es bei den schulpflichtigen Kindern nicht heißen "von der Nachweispflicht befreit" sondern vom "Besuchsverbot ausgenommen". Eben weil es sich um eine Schulpflicht handelt und ein Masernausbruch in der Schule ebenso wenig gewollt ist, wie in der Kita.
Leider glauben erste Eltern schon, dass Ihr Artikel über dem Bundesverfassungsgericht steht.

Andreas Hoffmann 18.08.202211:59 Uhr

Ich finde die Impfung sinnvoll - und nicht nur die gegen Masern. Trotzdem ist die Impfpflicht - nicht nur die gegen Masern - falsch und abzulehnen. Unser westliches Wertesystem und auch die deutsche Verfassung respektiert das Selbstbestimmungsrecht - eigentlich. Seit Jahren beweist das Verfassungsgericht nun aber, dass es ausnahmslos den kollektivistischen Ideologien der Herrschenden dient und nicht mehr den Menschen, die eigentlich durch die Verfassung vor einem übergriffigen und willkürlichen Staat geschützt werden sollen. Das Arzt-Patienten-Verhältnis wird durch Zwangsimpfungen nachhaltig beschädigt, auch wenn viele Kollegen die Augen davor verschließen. Der Schaden, der dadurch indirekt verursacht wird, lässt sich durch Studien zwar kaum messen, wird sich aber durch eine weiter steigende Anzahl von Menschen, die nicht oder zu spät zum Arzt gehen, in den nächsten Jahren immer deutlicher zeigen. Was machen die Kollektivisten dann? Zwangsvorsorgeuntersuchungen wie die Mütterberatung zu DDR-Zeiten? Wir sind auf bestem Weg dahin… 1984 wird Realität, Schritt für Schritt…

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