Nocebo-Effekt

Compliance-Killer Beipackzettel

Ärzte sollten ihren Patienten den Beipackzettel erklären, wenn sie Analgetika verordnen. Das nimmt die Angst vor der Arznei.

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HAMBURG. Wird auf der Packungsbeilage eines Medikaments zur Schmerzlinderung allzu eindringlich vor dessen möglichen Nebenwirkungen gewarnt, kann sich ein Effekt einstellen, der keineswegs gewünscht ist: In der Wahrnehmung des Patienten treten die vor Augen geführten möglichen Beschwerden in den Vordergrund – es kommt zum Nocebo-Effekt.

Wie die Ergebnisse einer experimentellen Studie aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf nahelegen, beeinflusst die Wortwahl im Beipackzettel von Analgetika wohl auch das Kauf- und Einnahmeverhalten der Patienten. Sprich, aus Angst vor Nebenwirkungen wird auf den schmerzlindernden Effekt eines Medikaments von vornherein verzichtet.

Von 18 aktuell beschwerdefreien, aber rückenschmerzerfahrenen Probanden, die sich den Beipackzettel zu dem Nicht-Opioid-Analgetikum Diclofenac aufmerksam durchgelesen hatten, gaben 61 Prozent danach in einem gestellten Apothekenszenario an, das Medikament bei Schmerzen nicht kaufen zu wollen. Ebenso wenig hätten sie sich vom Apotheker ein vergleichbares Präparat empfehlen lassen. Einer Vergleichsgruppe, bestehend aus 18 nach Alter und Geschlecht abgestimmten Teilnehmern (ebenfalls mit Rückenschmerzerfahrung), hatte man eine modifizierte Beilage zu lesen gegeben. Aus dieser Gruppe hätten nur knapp sechs Prozent im Ernstfall vom Kauf des NSAR abgesehen.

Bei der Frage nach dem Einnahmeverhalten war die Diskrepanz noch deutlicher: Gut drei Viertel der Teilnehmer, die sich die echte Packungsbeilage zu Gemüte geführt hatten, lehnten die Einnahme des Mittels strikt ab. In der anderen Gruppe war es dagegen nur ein Drittel.

Um herauszufinden, welche Rolle der Inhalt des (echten) Beipackzettels spielte, hatten die Forscher die entsprechenden Teilnehmer gebeten, sich möglichst viele der dort angegebenen Wirkungen und Nebenwirkungen zu merken. Ergebnis: Von den acht erwähnten positiven Effekten des Medikaments wurden im Mittel knapp 20 Prozent erinnert, von den 23 negativen Effekten dagegen gut 34 Prozent. Dieser Unterschied ist den Forschern zufolge signifikant.

Gerade in der Schmerztherapie, so Schmitz und Kollegen, spiele die Erwartungshaltung eine wichtige Rolle. Wer eine Schmerzlinderung erwarte, könne allein dadurch seine Symptome verbessern. Umgekehrt könnten negative Erwartungen auch zum gegenteiligen Effekt führen. Ausdrücklich weisen die Forscher darauf hin, dass für die Wirksamkeit von NSAR bei Rückenschmerzen relativ geringe Evidenz besteht. Umso wichtiger sei es, "die Effekte des Medikaments im positiven Sinne zu kommunizieren". Der Arzt sei gefordert, die Wirkmechanismen zu erklären, ohne die Nebenwirkungen zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Negative und positive Eigenschaften müssten dem Patienten gegenüber in einem vertrauensvollen Gespräch abgewogen werden.

In Zukunft müsse man Packungsbeilagen patientenfreundlicher gestalten, um unnötige Ängste und negative Erwartungen zu mindern. (eo)

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