Bundesverwaltungsgericht
Corona-Ausgangssperre in Bayern war rechtswidrig
Die Leipziger Richter haben sich mit zwei Corona-Schutzmaßnahmen beschäftigt: Die ganztägige Ausgangssperre in Bayern war unverhältnismäßig, Restaurantschließungen in Sachsen aber in Ordnung.
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Freie Fahrt auf der leeren Autobahn A96 bei Mindelheim im April 2020: Grund war eine Ausgangsbeschränkung der bayerischen Staatsregierung.
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Leipzig. Die Ende März 2020 in Bayern wegen der Corona-Pandemie beschlossenen Ausgangsbeschränkungen waren unverhältnismäßig und daher rechtswidrig. Dagegen waren die gleichzeitig in Sachsen geltenden Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Gastronomie und Sportstätten rechtmäßig, wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Dienstag entschied.
Nach der Corona-Verordnung in Bayern durften die Bürger ihre Wohnung nur aus triftigen Gründen verlassen. Dazu gehörten die Wege zur Arbeit oder zum Arzt, Lebensmitteleinkäufe, der Besuch enger Angehöriger, das Ausführen von Hunden und auch – allein oder mit Haushaltsangehörigen – Sport, etwa Joggen.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte dies als zu eng und damit unverhältnismäßig verworfen. So sei auch das reine „Verweilen im Freien“ verboten worden, auch wenn dies alleine oder nur mit Haushaltsangehörigen geschehe. Dies sei auch nach damaligem Kenntnisstand zur Eindämmung des Coronavirus nicht erforderlich gewesen.
Ganztägige Ausgangssperre schwerer Eingriff in Grundrechte
Dem schloss sich das Bundesverwaltungsgericht nun an. Die ganztägige Ausgangssperre sei ein schwerer Eingriff in die Grundrechte gewesen. Bei der Entscheidung, ob bestimmte Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus hilfreich sind, habe der Freistaat zwar einen Spielraum gehabt. Dessen Grenzen seien hier aber überschritten. Denn dass es zur Verbreitung des Virus beitragen würde, wenn beispielsweise jemand alleine auf einer Parkbank ein Buch liest, sei schlicht nicht plausibel. Dass es durch die Möglichkeit, alleine oder mit Haushaltsangehörigen die Wohnung zu verlassen, zu größeren Menschenansammlungen gekommen wäre, habe das Land nicht dargelegt.
In Sachsen blieben nach der Corona-Verordnung vom 17. April 2020 Restaurants und Sportstätten zu. Dies war zulässig und verfassungsgemäß, urteilte das Bundesverwaltungsgericht. Gleich wirksame, aber weniger einschneidende Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Erkenntnisse, anhand derer die Maßnahmen vielleicht zielgerichteter hätten gestaltet werden können, hätten damals noch nicht vorgelegen. Breite Schließungen seien daher notwendig und auch verhältnismäßig gewesen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.
Hygienekonzept wirksamen als Schließung der Gastronomie
Bei der Einschätzung der Lage hätten sich die Länder, hier Sachsen, auch auf die Risikobewertung des Robert Koch-Instituts (RKI) stützen dürfen. Dies sei nach dem Infektionsschutzgesetz „zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen“ berufen.
Konkret habe in Restaurants ein besonders hohes Risiko von Tröpfcheninfektionen bestanden, zudem im Umfeld von Szenekneipen das Risiko von Menschenansammlungen. „Danach war plausibel, dass selbst ein anspruchsvolles Hygienekonzept nicht so wirksam gewesen wäre wie die Schließung der Gastronomiebetriebe“, betonten die Leipziger Richter.
(Bundesverwaltungsgericht, Az.: 3 CN 2.21 und 3 CN 1.21)