KI in der Medizin
„Das Paradies ist noch fern“
Viel Dampf um Künstliche Intelligenz – in ihrer Anwendung sind Klinikdirektoren aber noch zurückhaltend. Mal wieder zeigt sich: Es fehlt an Vertrauen, Geld und einer Datenstrategie.
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KI in der Medizin bewegt derzeit viele Mediziner.
© Techniker Krankenkasse/Franziska Kraufmann
Stuttgart. Gerade im Gesundheitswesen wird Künstlicher Intelligenz viel Potenzial nachgesagt: bessere Diagnostik, effizientere Dokumentation, unterstützende Therapie. Künstliche Intelligenz als Heilsbringer also?
Mitnichten, mahnte unter anderem Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/ Die Grünen) vor Kurzem auf einer Fachveranstaltung zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) in Stuttgart. „Das Paradies ist noch fern“, so der Ministerpräsident vor gefüllten Reihen in der evangelischen Akademie Bad Boll.
Dennoch sei KI eine „der Leitbranchen des 21. Jahrhunderts in Baden-Württemberg“, die die Landesregierung vorantreiben will, etwa mit dem Forschungsinstitut Cyber Valley in Tübingen, eines der größten KI-Projekte Europas.
Baas: „KI kein Allheilmittel“
Wie KI verantwortlich gestaltet werden kann, darüber diskutierte auf der Fachveranstaltung neben Kretschmann unter anderem auch Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der mitveranstaltenden Techniker Krankenkasse. Auch Baas meint, „KI ist kein Allheilmittel, sie kann Fehler machen und ist abhängig von der Datenbasis, mit der sie gefüttert wird“.
Dennoch wäre es „blauäugig“, würde die Medizin KI nicht nutzen. „KI ist ein Werkzeug, das wir einsetzen müssen. Wir glauben, dass es unser Gesundheitssystem revolutioniert“, so Baas.
Ein Blick in Baden-Württembergs Kliniken zeigt jedoch: Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. In einer Umfrage unter den Mitgliedern des Verbandes der Klinikdirektoren des Landes gaben über 70 Prozent der Teilnehmer an, KI in ihrem Haus noch nicht anzuwenden.
Mehr als 80 Prozent unter ihnen beabsichtigen gar, mehr als zwölf Monate zu warten, bis sie KI in ihren Klinikalltag integrieren möchten. Als Gründe hierfür führen sie mitunter fehlende technische Infrastruktur, Personalmangel und fehlende finanzielle Mittel auf.
Datenstrategie gefordert
Skeptisch äußerten sich die Befragten auch beim Thema Datenschutz, den sie derzeit nicht gewährleistet sehen. Kretschmann forderte diesbezüglich eine Datenstrategie, in der sich unsere Grundüberzeugung wiederfinde und die dem „Wohle der Menschen und des Gemeinwohls“ diene.
In der KI-Diskussion müssten die ethischen Grundfragen dringend vorangetrieben werden, so Kretschmann.
Professor Jörg Hübner, Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll, mahnt, die diese Diskussion nicht hinter verschlossenen Türen zu führen: „Wir müssen den Diskurs zu KI im Gesundheitswesen öffentlich führen!“