EIT Health Summit 2022
Die Crux mit der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten
Die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten gilt als Schlüssel für ein gelungenes Krisenmanagement. Auf dem Weg dorthin sind nicht nur technische Hürden zu überwinden, zeigt ein Schlagabtausch in Stockholm.
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Beim EIT Health Summit in Stockholm diskutierten am Dienstag (v.l.) ECDC-Direktorin Dr. Andrea Ammon, Nick Schneider vom Bundesgesundheitsministerium und die italienische Public-Health-Professorin Anna Odone über die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten.
© Matthias Wallenfels
Stockholm. Die digital-gestützte Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung ist der Schlüssel zum schnellen, politisch gesteuerten Management künftiger Gesundheitskrisen wie Pandemien. Allerdings – und das hat die Corona-Pandemie gezeigt, in der die EU erstmals in ihrer Geschichte auf diese Weise eine Krise angegangen ist – bedarf es einer strukturierten und vor allem auch interoperablen Nutzung dieser Daten.
Dieses gemeinsame Fazit zogen im Rahmen des EIT Health Summit in Stockholm Dr. Andrea Ammon, Direktorin des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), Nick Schneider, im Bundesgesundheitsministerium Leiter des Referates 511 Grundsatzfragen neue Technologien und Datennutzung, und Professor Anna Odone, Direktorin der School of Public Health an der Universität Pavia.
Die Corona-Pandemie habe IT-spezifische Problemstellungen schonungslos offengelegt, erläuterte Odone. So seien die verschiedenen Corona-Warn-Apps der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu großen Teilen nicht miteinander kompatibel gewesen. Dazu komme, dass zum Beispiel in Italien mit seinen 21 regional organisierten Gesundheitssystemen Interoperabilität auch noch ein Fremdwort sei.
Das ECDC gibt Ratschläge – und jeder macht, was er will
Einig war sich das Trio, dass der von der EU-Kommission angestoßene Europäische Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space/EHDS) zwar Druck auf die am Markt aktiven Player in puncto Interoperabilität ausüben werde. Da die geplante Verordnung aber erst am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens stehe, werde es sicher noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis via EHDS die Interoperabilität in Europa eingeschnürt werde.
Ammon ging hart mit der EU und den Mitgliedstaaten ins Gericht: „Als ECDC haben wir schnell COVID-19-Leitlinien und -Handlungsempfehlungen herausgegeben – und jedes einzelne Land hat gemacht, was es wollte!“ Die Sekundärnutzung der Gesundheitsdaten sei auf politischer Seite wie auch bei vielen Bürgern negativ konnotiert, wies Schneider auf eine weitere Baustelle hin.
„Wir brauchen ein anderes Verständnis von der Sekundärnutzung der Gesundheitsdaten. Es gibt zu viele Vorbehalte!“, so Schneider. So könnte die Sekundärnutzung für die Forschung und daraus resultierende Handlungsempfehlungen für die Politik sinnvoll gestaltet werden, ohne gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung zu verstoßen.