Diese Fallstricke lauern bei Patienten-Programmen

Dass Patienten-Programme die Compliance stärken, ist längst belegt. Doch bevor Ärzte loslegen, sollten sie prüfen, ob sie nicht versehentlich in juristische Fallen tappen. Denn es drohen nicht nur Haftungsansprüche.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Passen Ärzte nicht auf, können sie bei Patienten-Programmen in eine Falle tappen.

Passen Ärzte nicht auf, können sie bei Patienten-Programmen in eine Falle tappen.

© mipan/fotolia.com

HEIDELBERG. Compliance-Programme - egal ob gemeinsam von Ärzten, Kassen und Unternehmen organisiert oder als rein ärztliche Unterstützungsprogramme - sind an sich eine gute Sache.

Vor allem chronisch Kranke profitieren von Coachings, telemedizinischer Überwachung oder dem einfachen Erinnern an die Medikamenteneinnahme.

Rechtlich aber sollten sich Ärzte gut absichern, riet Rechtsanwalt Dr. Christian Rybak auf dem convendos-Forum "Patienten-Programme" in Heidelberg. Denn nicht nur berufsrechtlich lauere in den Programmen die eine oder andere Falle.

Dass Patienten-Programme die Compliance stärken, zeigt sich immer wieder. Aktuelle Zahlen hatte etwa Arnd Köpcke, Produktgruppenleiter Neurologie bei der Merck Serono GmbH, dabei.

Merck Serono bietet Coaching für MS-Patienten

Merck Serono bietet seit einiger Zeit ein Patienten-Coaching für Patienten mit Multipler Sklerose (MS) an. Die Patienten melden sich selbst für den Service an und werden monatlich von einer Krankenschwester angerufen.

Über ein Jahr ließ das Unternehmen die Compliance von rund 450 Teilnehmern mit und ohne TelefonCoaching beobachten.

Das Ergebnis: Die Drop-off-Quote der Patienten mit Telefon-Coaching habe ein Drittel unter der der Patienten ohne Coaching gelegen. Und auch die Therapie-Compliance habe sich um immerhin zehn Prozent steigern lassen.

Da sich die Patienten bei diesem Programm direkt über die Website der Firma anmelden und Merck Serono auch Auftraggeber für das Coaching-Callcenter ist, ist dies für Ärzte rechtlich gesehen ein eher unproblematisches Programm.

Ohne Einwilligung bewegen sich Ärzte auf dünnem Eis

Ganz anders sieht die Sache aber aus, wenn die Einschreibung in ein Patienten-Programm über die Praxis erfolgt - und das gilt auch für Programme der Krankenkassen oder solche, die von Ärzten selbst organisiert werden.

Hier sei zunächst sicherzustellen, dass der Patient seine schriftliche Einwilligung für die Teilnahme, ebenso aber für Telefonanrufe und andere Erinnerungsservices sowie eine eventuelle Weitergabe von Patientendaten gegeben hat, erklärte Rybak.

"Die Einwilligung darf nicht pauschal in jeder Richtung sein und sie muss widerrufbar sein", sagte Rybak.

Genauer müsse aus dem Einwilligungstext hervorgehen, wer die Daten erhebe, welche Daten erhoben, gespeichert oder weitergegeben würden und zu welchem Zweck dies geschehe.

Die Einwilligung sollte auf jeden Fall schriftlich erfolgen, schon aus Beweisgründen, so Rybak. Und, was viele Ärzte nicht ahnten: "Patientendaten unerlaubt herauszugeben kann sogar strafrechtlich geahndet werden", mahnte der Jurist aus der Kanzlei Ehlers, Ehlers & Partner.

Die Nützlichkeit der Datenerhebung genüge nicht, um auf eine Einwilligung der Patienten in die Datenweitergabe verzichten zu können.

Wird ein Programm geändert, ist eine neue Einwilligung nötig

Doch damit nicht genug: Werde ein Programm geändert, tauchten neue Partner auf oder werde die Datenerhebung ausgeweitet, könnte die einmal erteilte Einwilligung des Patienten eventuell nicht mehr ausreichen. "Dann muss eine neue Einwilligung eingeholt werden."

Und dass sich die Programme ändern, ist laut Cyrill Brand von der vitartis Medizin-Service GmbH, die seit über 20 Jahren Patienten-Programme betreut, gar nicht so selten: "Ich kenne kein Programm, das noch so läuft, wie es gestartet ist."

Im Laufe der Zeit würden sich immer wieder Anpassungen ergeben - schließlich sind Patienten-Programme lernende und keine starren Gebilde.

Vorsicht sei bei Einwilligungen übers Internet geboten, sagte Rybak. "Es sollte vorher zumindest ein persönliches Gespräch geben." Und dann gebe es immer noch das Problem, wie die Patienten ihre Einwilligung widerrufen könnten.

Berufsrechtlich müssen Ärzte zum einen beim Thema Schweigepflicht aufpassen. Denn auch das Berufsrecht - nicht nur das Datenschutzgesetz schreibt vor, dass sie Patientendaten nicht einfach weitergeben dürfen.

Problematisch wird es aber ebenso, wenn es privatwirtschaftliche Partner oder Kliniken bei den Patienten-Programmen gibt.

Denn, so Rybak, es gelte das Verbot unzulässiger Zuweisungen und Zuwendungen (Paragrafen 31 und 32 ff. MBO). Es dürften keine wirtschaftlichen Zuwendungen an den Arzt ohne echte ärztliche Leistung erfolgen.

Wettbewerbsrecht könnte künftig Probleme machen

Aber auch das Wettbewerbsrecht streifen die Patienten-Programme. Das betreffe vor allem die werbliche Ansprache der Patienten und Broschüren innerhalb der Programme.

"Bei den Broschüren sollte sehr genau geschaut werden, wie die Inhalte formuliert sind", so Rybak.

Wichtig sei dabei, dass es keine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneien innerhalb der Broschüren gebe. Vor allem das Heilmittelwerbegesetz (HWG) greife hier.

Noch beschäftige sich im Rahmen der Patienten-Programme allerdings kaum jemand mit dem HWG. Rybak. "Da sich die Programme ausweiten, wird sich das künftig aber ändern."

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Kommentare
Peter Teich 04.05.201209:38 Uhr

Positive Patienten-Programme

Patienten-Programme erfüllen nicht nur den Zweck der Informationspflicht der Hersteller, sondern können in bedeutendem Umfang dazu beitragen, dass der Patient mehr Informationen über seine Krankheit und dadurch ein besseres Verständnis für die Notwendigkeit der regelmäßigen Therapie erhält. Hierdurch wird neben dem Empowerment des Patienten auch Adhärenz,Compliance und Persistenz erreicht. Der VfA bezieht hierzu eine klare Position.
Der Datenschutz ist ein wichtiges Thema, das von allen Anbietern von Patientenprogrammen strengstens eingehalten wird - im Übrigen ebenso exact wie die Vorschriften des HWG.
P.Teich

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