Digital-Radar
Digitalisierung in deutschen Kliniken ist besser als gedacht
Deutsche Kliniken stehen im internationalen Vergleich beim Digitalisierungsgrad gar nicht so schlecht da. Das zeigen erste Ergebnisse der Online-Erhebung des Digital-Radars.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hat Deutschland einen guten Überblick über den Zustand der digitalen Ausstattung der Kliniken im Land gebracht. Am Freitag hat das Konsortium DigitalRadar, das die Online-Reifegraderhebung gesteuert hat, die ersten Ergebnisse vorgelegt.
Die Ergebnisse fallen laut DigitalRadar im Vergleich mit anderen Industrieländern wie Kanada und Australien „solide“ aus. Demnach haben wesentlich mehr deutsche Krankenhäuser den – niedrigsten – digitalen Reifegrad 0 überschritten als in den beiden genannten Ländern. Dabei orientiert sich das Konsortium am EMRAM-Reifegrad. Das Konzept steht für Electronic Medical Record Adoption Model und ist international weit verbreitet, um den Stand der Digitalisierung in Kliniken vergleichbar zu machen.
Nach den Ergebnissen der Erhebung gibt es vor allem in den Bereichen klinische Prozesse, Informationsaustausch, Telehealth und Patientenpartizipation Entwicklungsbedarf. Auch die Weitergabe strukturierter Daten innerhalb der Krankenhäuser sowie die Interoperabilität zwischen den vorherrschenden Softwarelösungen sei ausbaufähig, heißt es in der Mitteilung des Konsortiums.
Das durchschnittliche Ergebnis des sogenannten DigitalRadar-Score der deutschen Kliniken liege bei 33,25 von maximal möglichen 100 Punkten (max. 100). Der niedrigste Punktwert liegt demnach bei 3,27 Punkten, der höchste erreichte Punktewert bei 63,87 Punkten.
Umfangreiches einheitliches Benchmarking
Knapp ein Drittel der deutschen Krankenhäuser erfüllten die Kernforderungen des internationalen Modells mit geschätzten Reifegraden bis zur Level-5-Zertifizierung. Die restlichen 69 Prozent der Kliniken hätten gute Möglichkeiten, sich einem höheren Score zu nähern, indem sie digitale Lösungen im Bereich der Radiologie, des Labors oder der Kardiologie vorantreiben.
Weltweit habe es nie zuvor ein so umfangreiches, einheitliches Benchmarking gegeben mit dem konkreten Ziel, die Digitalisierung der Krankenhauslandschaft eines Landes zu vermessen und daraus Bedarfe zur Verbesserung der Versorgung abzuleiten.
Angeschoben wurde die Aktion dadurch, dass Krankenhäuser, die im vergangenen Jahr über das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) eine Förderung beantragen wollten, sich zwingend daran beteiligen mussten.
Zur Erinnerung: Bis zu 4,3 Milliarden Euro sollen Kliniken nach dem KHZG für Digitalisierungsprojekte erhalten. Dementsprechend hoch war die Beteiligung: 1616 Krankenhäuser – 91 Prozent der Plankrankenhäuser – haben die strukturierte Selbsteinschätzung zwischen Oktober und Dezember 2021 geleistet. In einem zweiten, späteren Schritt soll eine weiter Befragung Aufschluss über die Effekte der Förderung in Bezug auf den Digitalisierungsgrad und die Verbesserung der Versorgung bringen.
Tausende Förderanträge wurden gestellt
Allein in den Förderbereichen „Digitale Dokumentation“ und „Patientenportale“, wo der DigitalRadar erhebliche Nachholbedarfe identifizierte, seien jeweils über 1000 Förderanträge gestellt worden. „Infolgedessen werden wir die digitale Reife deutscher Krankenhäuser in den nächsten Jahren spürbar verbessern“, wird Thomas Renner, stellvertretender Abteilungsleiter für Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), in der Mitteilung zitiert.
Die Ergebnisse zeigten, „dass Krankenhäuser in Deutschland nun gut positioniert sind, um die digitale Reife in vorrangigen Bereichen wie Interoperabilität und Patientenpartizipation voranzutreiben“, äußert sich Professor Sylvia Thun, Co-Projektleiterin des DigitalRadar, laut Mitteilung. Das Konsortium „DigitalRadar“ ist 2021 vom BMG mit der Evaluation des Krankenhauszukunftsfonds beauftragt worden.
Projektpartner sind die Organisationen HIMSS Europe (Healthcare Information and Management Systems Society), das Institut für angewandte Versorgungsforschung (inav), Lohfert & Lohfert, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und die Universität St. Gallen. (ger)