IGeL

Drei von vier Patienten sind dankbare Abnehmer

"Zusatznutzen unklar" - so lautet oft die finale Bewertung von Individuellen Gesundheitsleistungen auf der Internet-Plattform IGeL-Monitor vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Dennoch haben Ärzte mit dem Angebot von IGeL bei Patienten tendenziell gute Karten. Das bestätigt eine Umfrage der Techniker Krankenkasse.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind seit vielen Jahren so etwas wie der Stachel im Fleisch der Krankenkassen.

Dabei sind Leistungen, die gesetzlich Versicherte in den Praxen selbst bezahlen müssen, eigentlich unvermeidlich in einem System, das den Krankenkassen auferlegt, nur "ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Patientenversorgung" zu bezahlen.

"Ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" ist nicht dasselbe wie optimal. Und wenn Patienten mehr Leistungen in Anspruch nehmen wollen, als die Krankenkassen bezahlen, dann muss die Rechnung dafür aus eigener Tasche beglichen werden.

Der immer wieder in den Medien ausgetragene Streit um IGeL dreht sich nun darum, welche der angebotenen Selbstzahlerleistungen sinnvoll sind, welche überflüssig und welche vielleicht sogar schädlich sind.

Bei dieser Frage vertrauen Patienten nach wie vor und trotz allen öffentlichen Streits in erster Linie ihren Ärzten.

Das hat vor kurzem erneut eine Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) unter 2000 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählten Erwachsenen bestätigt (wir berichteten kurz). Die Umfrage wurde vom Institut Forsa umgesetzt.

Hohes Einkommen, mehr Angebote

Die Umfrage zeigt, dass etwa jeder zweite gesetzlich Versicherte schon IGeL-Angebote bekommen hat, etwa jeder dritte bereits mehrere Angebote. 48 Prozent haben noch kein IGeL-Angebot von ihrem Arzt erhalten.

Mit 58 Prozent liegt der Anteil derer, die mindestens einmal ein Angebot bekommen haben, bei Frauen deutlich höher als bei Männern (46 Prozent).

Bei einem Monatseinkommen von 1500 Euro und darunter haben der Umfrage zufolge 46 Prozent der Versicherten ein IGeL-Angebot erhalten, bei 4000 Euro und mehr 64 Prozent.

Ein Teil der Skepsis gegenüber IGeL resultiert sicher daraus, dass der Zugang zu diesen Leistungen eben nicht allen Schichten der Bevölkerung gleichermaßen gewährleistet, sondern abhängig vom Einkommen ist - anders als es bei Kassenleistungen ist.

Bei der Betrachtung nach Bundesländern liegen Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit 58 und 57 Prozent vorne.

Deutlich weniger IGeL-Angebote erhielten GKV-Versicherte in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen (43 Prozent) sowie in Rheinland-Pfalz und im Saarland (44 Prozent).

Auch in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern werden IGeL mit fast 60 Prozent überproportional angeboten, berichtet die TK von der Umfrage.

Hoher Vertrauensvorschuss

Wie hoch der Vertrauensvorschuss ist, den Ärzte bei Patienten genießen, zeigt sich ebenfalls in der Umfrage: Drei von vier Patienten, denen IGeL angeboten wurden, nehmen diese Selbstzahlerleistung auch in Anspruch.

Bei Versicherten mit einem Einkommen unter 1500 Euro im Monat sind es 63 Prozent, bei einem Einkommen oberhalb von 3000 Euro sind es sogar 84 Prozent.

Fast vier von zehn Patienten prüfen das Angebot für eine Selbstzahlerleistung, bevor sie sich dafür oder dagegen entscheiden. Die Mehrheit (61 Prozent) vertraut allerdings in Sachen IGeL den vom Arzt gegebenen Informationen.

Von denjenigen, die sich aber eine "Zweitmeinung" einholen, schauen 51 Prozent auf spezielle Seiten im Internet, um weitere Informationen einzuholen, zum Beispiel den "IGeL-Monitor" des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Krankenkassen.

47 Prozent wenden sich persönlich, telefonisch oder online direkt an ihre Krankenkasse. Jüngere Versicherte zwischen 18 und 35 Jahern nutzen häufiger andere Informationsquellen, um weiter zu recherchieren (47 Prozent), als ältere (56- bis 65-Jährige) mit 30 Prozent.

Die Umfrage bestätigt insgesamt Ergebnisse anderer IGeL-Studien wie etwa denen des WiDO-Instituts der Ortskrankenkassen. Das gilt letztlich auch für die Antwort auf die Frage, bei welchem Arzt Versicherten bereits IGeL-Angebote gemacht worden sind.

Demnach igeln Gynäkologen am intensivsten - 40 Prozent der Frauen haben von einem Frauenarzt bereits ein IGeL-Angebot erhalten, etwa in der Schwangerschaft oder Ultraschall zur Krebsfrüherkennung.

Bei Zahnärzten haben 32 Prozent der Patienten bereits Selbstzahlerangebote bekommen, zum Beispiel professionelle Zahnreinigung. Augenärzte liegen auf dem dritten Platz (26 Prozent der Befragten), vor allem durch das Angebot des Glaukomscreenings.

Urologen (14 Prozent der Männer) und Allgemeinmedizinern (13 Prozent) sowie Hautärzten (12 Prozent) folgen auf den weiteren Plätzen.

Bei Hausärzten stehen unter IGeL-Angeboten Check-ups und Sportuntersuchungen sowie reisemedizinische Angebote im Vordergrund.

Lesen Sie dazu auch: IGeL-Monitor: Und wieder heißt es "unklar"

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 11.02.201514:20 Uhr

Lieber Herr Friemel, Sie wollten sicher sagen:

... denn Krankenkassen sollen die ärztlichen Leistungen nicht schlechtreden.

Dr. Wolfgang Bensch 11.02.201514:04 Uhr

Dreimal "gefriemelt"

das wäre es dann wohl dazu ... ;-)

Peter Friemelt 11.02.201511:16 Uhr

Dankbare Abnehmer?

Ärzte verkaufen die IGEL-Leistungen häufig mit dem Argument, dass die Kassenleistungen nicht optimal sind. Abgesehen davon, dass so eine Aussage schon problematisch ist, denn Kassenärzte sollen die Kassenleistungen nicht schlechtreden, kommen Patienten dadurch in Zugzwang. Wenn sie ihrem Arzt vertrauen, dann stimmt das doch wohl, was dieser ihnen erzählt. Es entsteht ein unguter Entscheidungszwang. Der Patient ist davon abhängig, dass er mit seinem Arzt eine gedeihliche Zusammenarbeit pflegt. Dann stimmt er halt mal einer Selbstzahlerleistung zu, um genau das nicht zu gefährden.

Was Kassenleistungen sind, wird unter reger Teilnahme von (Zahn-)Ärzten im Gemeinsamen Bundesausschuss entschieden. Die Ärzte könnten sich dort also einsetzen, dass die wirklich notwendigen IGEL, wenn es sie denn gibt, zu einer Kassenleistung werden, genauso wie es das SGB V vorsieht. Leider gibt es da manchmal eine Allianz zwischen Kassen- und (Zahn-)Ärztevertretern gegen Belange der Patienten. Beide haben aus ganz unterschiedlichen Gründen ein Interesse daran, dass sich Kassenleistungen nicht erweitern. Ausserdem haben Kassenleistungen immer den Nachweis zu erbringen, dass sie auf dem wissenschaftlich aktuellen Stand sind. Das ist ein Hinweis, dass die IGEL so optimal nicht sein können.

Generell möchte ich betonen, dass das Ziel sein muss, dass Kassenärzte von ihrer Arbeit gut leben können und dass IGEL-Leistungen in der Kassenarztpraxis keinen Platz haben. Übergangsweise sollten Igel-Leistungen nur zeitlich streng getrennt von den Kassenleistungen angeboten werden dürfen. Wenn ein Patient eine IGEL-Leistung in Anspruch nehmen will, wird er sich die Zeit nehmen, nochmal in die Praxis zu kommen oder er sucht einen reinen Privatarzt auf.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Friemelt, Patient, GKV-versichert

Peter Friemelt 11.02.201511:16 Uhr

Dankbare Abnehmer?

Ärzte verkaufen die IGEL-Leistungen häufig mit dem Argument, dass die Kassenleistungen nicht optimal sind. Abgesehen davon, dass so eine Aussage schon problematisch ist, denn Kassenärzte sollen die Kassenleistungen nicht schlechtreden, kommen Patienten dadurch in Zugzwang. Wenn sie ihrem Arzt vertrauen, dann stimmt das doch wohl, was dieser ihnen erzählt. Es entsteht ein unguter Entscheidungszwang. Der Patient ist davon abhängig, dass er mit seinem Arzt eine gedeihliche Zusammenarbeit pflegt. Dann stimmt er halt mal einer Selbstzahlerleistung zu, um genau das nicht zu gefährden.

Was Kassenleistungen sind, wird unter reger Teilnahme von (Zahn-)Ärzten im Gemeinsamen Bundesausschuss entschieden. Die Ärzte könnten sich dort also einsetzen, dass die wirklich notwendigen IGEL, wenn es sie denn gibt, zu einer Kassenleistung werden, genauso wie es das SGB V vorsieht. Leider gibt es da manchmal eine Allianz zwischen Kassen- und (Zahn-)Ärztevertretern gegen Belange der Patienten. Beide haben aus ganz unterschiedlichen Gründen ein Interesse daran, dass sich Kassenleistungen nicht erweitern. Ausserdem haben Kassenleistungen immer den Nachweis zu erbringen, dass sie auf dem wissenschaftlich aktuellen Stand sind. Das ist ein Hinweis, dass die IGEL so optimal nicht sein können.

Generell möchte ich betonen, dass das Ziel sein muss, dass Kassenärzte von ihrer Arbeit gut leben können und dass IGEL-Leistungen in der Kassenarztpraxis keinen Platz haben. Übergangsweise sollten Igel-Leistungen nur zeitlich streng getrennt von den Kassenleistungen angeboten werden dürfen. Wenn ein Patient eine IGEL-Leistung in Anspruch nehmen will, wird er sich die Zeit nehmen, nochmal in die Praxis zu kommen oder er sucht einen reinen Privatarzt auf.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Friemelt, Patient, GKV-versichert

Peter Friemelt 11.02.201511:09 Uhr

Dankbare Abnehmer?

Ärzte verkaufen die IGEL-Leistungen häufig mit dem Argument, dass die Kassenleistungen nicht optimal sind. Abgesehen davon, dass so eine Aussage schon problematisch ist, denn Kassenärzte sollen die Kassenleistungen nicht schlechtreden, kommen Patienten dadurch in Zugzwang. Wenn sie ihrem Arzt vertrauen, dann stimmt das doch wohl, was dieser ihnen erzählt. Es entsteht ein unguter Entscheidungszwang. Der Patient ist davon abhängig, dass er mit seinem Arzt eine gedeihliche Zusammenarbeit pflegt. Dann stimmt er halt mal einer Selbstzahlerleistung zu, um genau das nicht zu gefährden.

Was Kassenleistungen sind, wird unter reger Teilnahme von (Zahn-)Ärzten im Gemeinsamen Bundesausschuss entschieden. Die Ärzte könnten sich dort also einsetzen, dass die wirklich notwendigen IGEL, wenn es sie denn gibt, zu einer Kassenleistung werden, genauso wie es das SGB V vorsieht. Leider gibt es da manchmal eine Allianz zwischen Kassen- und (Zahn-)Ärztevertretern gegen Belange der Patienten. Beide haben aus ganz unterschiedlichen Gründen ein Interesse daran, dass sich Kassenleistungen nicht erweitern. Ausserdem haben Kassenleistungen immer den Nachweis zu erbringen, dass sie auf dem wissenschaftlich aktuellen Stand sind. Das ist ein Hinweis, dass die IGEL so optimal nicht sein können.

Generell möchte ich betonen, dass das Ziel sein muss, dass Kassenärzte von ihrer Arbeit gut leben können und dass IGEL-Leistungen in der Kassenarztpraxis keinen Platz haben. Übergangsweise sollten Igel-Leistungen nur zeitlich streng getrennt von den Kassenleistungen angeboten werden dürfen. Wenn ein Patient eine IGEL-Leistung in Anspruch nehmen will, wird er sich die Zeit nehmen, nochmal in die Praxis zu kommen oder er sucht einen reinen Privatarzt auf.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Friemelt, Patient, GKV-versichert

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