Stilfrage

Dresscode in der Arztpraxis: Der Arzt mit dem Hawaiihemd

Der Allgemeinmediziner Joachim Teich aus dem sächsischen Königswartha trägt in seiner Praxis ausschließlich Hawaiihemden. Seine Patienten finden’s klasse. Eine Stilberaterin rät dennoch eher zu uni – um Praxisteams seriös und kompetent wirken zu lassen.

Kathrin HandschuhVon Kathrin Handschuh Veröffentlicht:
Der Königswarthaer Arzt Joachim Teich liebt es floral. In seiner Sprechstunde trägt er ausschließlich Hawaiihemden, seine Kollektion umfasst inzwischen zehn Exemplare.

Der Königswarthaer Arzt Joachim Teich liebt es floral. In seiner Sprechstunde trägt er ausschließlich Hawaiihemden, seine Kollektion umfasst inzwischen zehn Exemplare.

© Joachim Teich

Neu-Isenburg. Der Allgemeinmediziner Joachim Teich aus Königswartha in Sachsen ist mittlerweile eine lokale Berühmtheit: Denn er behandelt seine Patienten ausschließlich im gemusterten Hawaiihemd. Zehn verschiedene Modelle gehören mittlerweile zu seiner Kollektion – von dunkelblau über pinkfarben bis zur Weihnachtsversion. Bei den Patienten kommt das tropische Outfit gut an: „Einige schauen sogar nur vorbei, um herauszufinden, welches Stück ich gerade trage“, erzählt er im Gespräch mit der Ärzte Zeitung.

Teich ist nicht der einzige, der sich über seine Arbeitskleidung bei der Sprechstunde Gedanken macht. Fragen wie: „Was ziehe ich in der Praxis an?“ Oder: „Wie kleiden sich meine Mitarbeiter?“, treiben immer mehr Praxisinhaber in Deutschland um. Das bestätigt auch die Hamburger Stilberaterin Christiane Dierks, die seit 20 Jahren beobachtet, wie sich der Dresscode in den Praxen entwickelt und Inhaber entsprechend berät. „Berufsbekleidung wird viel bewusster wahrgenommen. Besonders Ärzte verfügen oftmals über ein hohes Maß an Ästhetik “, sagt sie.

Fest steht: Den weißen Kittel haben Ärztinnen und Ärzte hierzulande buchstäblich an den Nagel gehängt – und das, obwohl eine US-Umfrage aus 2020 unter Patienten ergeben hatte, dass dieser bei den meisten immer noch für Kompetenz, Intelligenz und Glaubwürdigkeit steht. Auch Christiane Dierks sieht im Arztkittel ein aussterbendes Relikt, zumindest im ambulanten Bereich. „Es gibt natürlich Ausnahmen, zum Beispiel in Kliniken wird er von Ärzten häufig noch bei der Visite getragen.“

Einheitliche Poloshirts mit Logo

Doch was sollen Niedergelassene und MFA am besten anziehen, wenn sie bei ihren Patienten einen guten Eindruck hinterlassen wollen? Oberstes Gebot: Die Kleidung muss vertrauensweckend sein und ein hohes Maß Hygiene ausstrahlen. Christiane Dierks empfiehlt einheitliche Kleidung für alle Mitarbeiter, da diese zum Image der Praxis beitrage und den Wiedererkennungswert fördere. Das Einheitlichkeitsprinzip müsse unbedingt für alle gelten – also auch für die Ärzte. „Sonst wirkt die Praxisstruktur sehr hierarchisch.“

Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten Praxen als gemeinsames Arbeits-Outfit farbige Poloshirts wählen, die in vielen Fällen mit dem Praxislogo versehen sind und mit einer weißen Hose kombiniert werden. Aus ihrer Sicht ist das eine gute Wahl. „Poloshirts wirken – natürlich nur, wenn sie gut geschnitten sind – zugleich modern und formell genug.“ Außerdem erfülle der Baumwollstoff die notwendigen Hygieneanforderungen, da er sich bei 60 Grad waschen lasse. Sie schätzt Polo-Shirts auch wegen ihres Kragens. Denn: „99 Prozent aller Leute sehen mit Kragen besser aus.“

Wer also Shirts in blau oder grün auswählt, ist auf der sicheren Seite. „Da dieser Farbkombination eine beruhigende Wirkung nachgesagt wird, kann man damit eigentlich nichts falsch machen. Im Gegensatz zu rot, das fördert Aggressionen.“ Die Glaubwürdigkeit von Ärzten und ihren Mitarbeitern hänge immer auch damit zusammen, wie passend im wahrsten Sinne des Wortes das Outfit ist, so Dierks. Praxen sollten daher zu Poloshirts in guter Qualität greifen, die optimal sitzen und auch bei regelmäßiger Wäsche Form und Farbe nicht verlieren. Derartige Shirts gebe es bereits ab 20 Euro.

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Weniger Angst vor dem Arzt

Für Hausarzt Teich hat seine ungewöhnliche Vorliebe nichts mit mangelnder Kompetenz zu tun. Er möchte für gute Laune sorgen und seinen Patienten ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Seine Hawaiihemden seien vor allem bei neuen Patienten ein idealer Einstieg in das Behandlungsverhältnis: „Viele fragen mich, ob ich schon einmal in Hawaii war. Dann sprechen wir meistens über Reisen und Urlaube“, so Teich. Und die Zahlen sprächen für sich: Seit Eröffnung der Praxis vor knapp zwei Jahren sei sein Patientenstamm auf rund 1000 gestiegen, sie schätzten sein unkonventionelles Auftreten sehr. Aus seiner Sicht mache originelle, bunte Kleidung auch die Behandlung von Kindern leichter, die dann einfach weniger Angst hätten.

Auch wenn Teichs Konzept gut funktioniert, rät Stilberaterin Dierks dennoch von derartigen modischen Experimenten ab. „So etwas wirkt im Praxisumfeld nicht passend“, ist sie überzeugt. Aus ihrer Sicht ist es wichtig, bei der Kleidung zwischen Dienst und Privatleben zu unterscheiden. Das wirke professioneller.

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 03.05.202214:05 Uhr

Dem Arzt D. Ukrow stimme ich als Hygiene-Doktor und potentieller Patient ganz und gar zu!
Es erstaunt mich, wie die (wohl jungen?) Vorkommentatoren unisono dem ärztlichen Freizeitlook in der medizinischen Praxis frönen! - - -
Schließlich hat ein seriöser Mediziner bei der diskreten und intimen Arbeit kein vertrautes "Kumpel"- Image auszustrahlen, sondern rel. kühle und souveräne Distanz im Untersuchungs- und Behandlungsgang gegenüber dem vertrauenden Patienten (lat. der Geduldige o. Leidende) zu wahren!
Erst im abschließenden Arzt-Gespräch kann er ja mal die blütenweiße "Schutzkleidung" paritätisch ablegen. . .
(Das sollten aber im UKE Hamburg die Ärzte und Ärztinnen auch, bevor sie von den Stationen über den Hof zur öff. Kantine "ganz in weiß" gehen; und danach vielleicht auch noch die gemeinsame öff. Toilette besuchen.
Gottlob bleibt in unserer liberalistischen Freizeitgesellschaft immer noch der schöne (lange!) Kittel "Dienstkleidung", und gehört damit zum med. Dresscode; er signalisiert nicht nur der Göttin "Hygieae" Reinheit und souveränes ärztliches Handeln. Und das sollte in der privatärztlichen Praxis auch so sein!
Als Sohn der Gesundheitsgöttin fällt mir natürlich auf, dass unsere Mitbürger zunehmend überhaupt keinen konventionellen "Dresscode" beachten. So habe sehe ich in der Lebensmittel-Hygieneüberwachung, dass "Sterneköche" u.a. nicht mehr die sinnvolle HygVO-Vorschrift beachten, eine "helle" geschlossene Berufskleidung zu tragen (damit darauf nat. der Schmutz als Indikator für ihr Schaffen zusehen ist, und der Kleiderwechsel für den Keimträger angezeigt ist).
Stattdessen ist es vielerorts Unistte geworden "schwarz" in der Gewerbe-Küche zu tragen. Das müßten meine Amtstierarzt-Kollegen oder LMKs bei Kontrollen eigentlich jedes mal bußgeldpflichtig ahnden. . .
(Apropos gesellschaftlicher "dresscode": Der hat auch manchmal Auswüchse, wenn kürzlich im Rennbahn-Enclosure eine schicke Dame mit den (plumpen!) modischen, weißen Sportschuhen abgewiesen worden ist)
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

Cordula Petit 29.04.202212:09 Uhr

Kompetenz hängt nicht an der Kleidung - ich finde das Hawaiihemd super. Weiße Kittel sind in Kliniken sicherlich auch ein Erkennungsmerkmal, aber Fachkompetenz drücken sie doch nicht aus. Sie stellen vielmehr oft eine Distanz her, was schade ist.

Dr. Annelie Weiske 28.04.202214:28 Uhr

Finde ich rundum gelungen! Würde selbst lieber zu diesem Arzt gehen, als zu einem der "stilgerecht" in "echter" Berufskleidung steckt. Einfach, weil dieser Arzt so Fröhlichkeit, Humor und Zugewandtheit ausstrahlt. Offensichtlich kommt seine persönliche Art bei den Patienten auch so rüber. Und an Kompetenz scheint es ihm auch nicht zu mangeln, sonst wäre er mit seiner Praxis nicht erfolgreich.

Übrigens lassen sich Hawaiihemden auch locker bei 75° waschen; hinterher noch mit dem knallheißen Dampfbügeleisen drüber - da gibt es keine Hygieneprobleme.

Dr. Guenter Theis 28.04.202211:16 Uhr

Da ich nach 40 Jahren eigener Praxis mehr Erfahrung als Theorie zu diesem Thema dokumentieren darf, muss ich meinem Kollegen aus dem sächsischen Hawai gratulieren! Bleiben Sie Sie selbst! Dresscode-Beratung, Konzern-Identität (sprich Uniform), Ideogramme und Farbchiffren: alles Schnee von gestern - und Umsatzlinien von Spezialisten des autofocusierten Marketings. Braucht nur wer ein Exoskelett braucht. Authentizität, das zählt - außer Wissen, Empathie, Organisation und die Kaltschnäuzigkeit mit unserem fremdbestimmten Kassenarztsystem sich zu arrangieren. Herr Teich machen Sie so weiter!

Christiane Laszig 28.04.202209:52 Uhr

Als ImageDesignerin halte ich das Hawaiihemd in diesem Fall für absolut geeignet. Es ist ungewöhnlich, speziell und vor allem individuell. Auf jeden Fall macht es neugierig auf den Typ Mensch, der sich darunter verbirgt. Mir würde er gefallen, wenn er so weltoffen wäre, wie sein fröhliches Hemd und sein Lächeln. Klar ist man mit einem Polo Shirt auf der richtigen Seite, aber so what, das will dieser Arzt doch gar nicht. Er weiß auch so was er kann.

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