Europäischer Gerichtshof
EU-Staaten müssen berufliche Vielfalt im Gesundheitswesen zulassen
Migranten soll nach einem EuGH-Urteil ein partieller Zugang zu einzelnen Gesundheitsberufen gewährt werden, wenn ausreichende Qualifaktionen vorliegen. Ärzte in Frankreich hatten dagegen geklagt.
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Die Richter am EuGH befassten sich mit der EU-Regelung zur gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen.
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Luxemburg. Im Gesundheitswesen müssen die EU-Staaten berufliche Vielfalt zulassen. Wenn Migranten aus anderen Ländern eine Ausbildung haben, die nicht mit einem der Kernberufe wie Arzt oder Krankenschwester im Einwanderungsland übereinstimmt, muss in der Regel auch ein Teil-Zugang zu solchen Berufen möglich sein, wie jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied. Er bestätigte damit entsprechende Regelungen in Frankreich.
Hintergrund ist die EU-Richtlinie aus 2005 über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen. Weil für zahlreiche Gesundheitsberufe die Ausbildungsgänge EU-weit vereinheitlicht wurden, sieht die Richtlinie hier eine automatische gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse vor; genannt sind Ärzte und Fachärzte, Zahnärzte, Krankenpflege, Hebammen und Apotheker.
Die Richtlinie umfasst auch zahlreiche gewerbliche Tätigkeitsfelder. Eine Ergänzung aus 2013 ermöglicht zu den verschiedenen Berufen auch einen „partiellen Zugang“.
Unterschied zwischen Beruf und Berufsangehörigen
Frankreich hatte daher Regelungen getroffen, wonach insbesondere Migranten eine berufliche Anerkennung auch für Teilbereiche bei den Gesundheitsberufen bekommen können. Dagegen laufen mehrere Verbände Sturm, etwa der Ärzteschaft, Zahnärzte, Apotheker, Pflegeberufe und Physiotherapeuten. Sie meinen, der partielle Zugang könne nicht für Berufe gelten, bei denen EU-Recht die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse vorsieht. Hier sei nur ein „Alles oder Nichts“ möglich.
Dem widersprach nun der EuGH. Die Richtlinie unterscheide zwischen „Berufen“ und „Berufsangehörigen“. Letztere könnten in den Genuss einer automatischen Anerkennung kommen, wenn sie eine der EU-weit vereinheitlichten Ausbildungen durchlaufen haben. Treffe dies nicht zu, sehe die Richtlinie einen partiellen Zugang zu dem „Beruf“ ausdrücklich vor. Andernfalls würden diese EU-Bürger mit unnötigen „Mobilitätshindernissen“ konfrontiert.
Voraussetzung für einen solchen partiellen Zugang ist laut Richtlinie, dass die Ausbildung wesentlich von der vereinheitlichten Ausbildung abweicht. Zudem muss eine ausreichende Qualifizierung vorliegen und die entsprechenden Tätigkeiten vom Rest des jeweiligen Berufs trennbar sein. Dabei wiesen die Luxemburger Richter darauf hin, dass EU-Staaten auch die partielle Anerkennung verweigern dürfen, wenn Allgemeininteressen dies erfordern. (mwo)
Europäischer Gerichtshof, Az.: C-940/19