Verdacht auf Korruption
Ehemaliger Oberstaatsanwalt wegen Bestechlichkeitsvorwürfen vor Gericht
Ein hochrangiger Jurist auf der Anklagebank: In Frankfurt beginnt in dieser Woche ein nicht alltäglicher Prozess. Es geht um mögliche Korruption in der Justiz - und unserem Gesundheitssystem.
Veröffentlicht:Frankfurt/Main. Vor dem Frankfurter Landgericht beginnt in dieser Woche der Prozess gegen einen früheren Oberstaatsanwalt. Er hatte bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt eine bundesweite Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen geleitet. Nun muss er sich wegen des Verdachts auf Korruption vor Gericht verantworten.
Der Beamte soll Gutachten für die Justiz an einen Bekannten vergeben und dafür Schmiergeld kassiert haben. Dem Beamten wird gewerbsmäßige Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung vorgeworfen – unter Umständen auch Untreue. Mit ihm auf der Anklagebank sitzt ein Unternehmer aus dem Hochtaunuskreis, dessen Firma die Gutachten erstellt hatte. Ihm wird gewerbsmäßige Bestechung und Subventionsbetrug vorgeworfen.
22 Verhandlungstermine angesetzt
Der Prozess beginnt an diesem Freitag (13. Januar) vor der Wirtschaftskammer des Frankfurter Landgerichts. Angesetzt sind bereits jetzt 22 Termine – zwei pro Woche – bis Ende März. Nach Angaben des Gerichts wurden bislang 26 Zeugen geladen. Den ehemaligen Topjuristen drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Eine Zeugin wird in dem Verfahren fehlen: Die ehemalige Lebensgefährtin des beschuldigten Juristen, die mit ihrer Anzeige den Fall ins Rollen gebracht hatte, ist zwischenzeitlich gestorben. Dank der im Lauf der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse werde „dem endgültigen Wegfall der Verstorbenen als Zeugin“ aber keine große Bedeutung mehr beigemessen, hieß es bei der Staatsanwaltschaft.
Die Firma des Mitangeklagten soll von der hessischen Justiz insgesamt Aufträge in Höhe von insgesamt 12,5 Millionen Euro erhalten haben. Der Oberstaatsanwalt soll zwischen 2015 und 2020 – dem Zeitraum, in dem die Taten noch nicht verjährt sind – rund 280.000 Euro Schmiergeld kassiert haben.
Bei der anstehenden Verhandlung geht es nur um einen Teil des gesamten Komplexes – sowohl was die beteiligten Personen angeht als auch die Tatvorwürfe. Die Ermittlungen, die seit 2019 laufen, hatten bundesweit für Aufsehen gesorgt, die Justiz erschüttert und die Politik aufgerüttelt.
Im Sommer 2020 wurde der Jurist erstmals festgenommen, später unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen und im Januar 2022 erneut ins Gefängnis gebracht: Nachdem die Ermittlungen weitere Tatvorwürfe ergeben hatten, befürchtete die Staatsanwaltschaft Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr.
Im Mai 2022 wurde Anklage erhoben, im Oktober 2022 das Hauptverfahren eröffnet – allerdings nur teilweise. In der rund 260 Seiten umfassenden Anklageschrift wird dem Juristen neben Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung auch schwere Untreue zur Last gelegt. Dieser Komplex wurde abgetrennt. Die zuständige Kammer ordnete an, dass weiter ermittelt werden muss.
Wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt der dpa berichtete, sind diese Ermittlungen aber inzwischen abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Landgericht nun neu entscheidet und möglicherweise „beide Verfahrensteile wieder verbindet“, wie eine Sprecherin sagte.
Es wird gegen weitere Verdächtige ermittelt
In den Fall verstrickt sind mehr Personen als die zwei, die ab Freitag auf der Anklagebank sitzen. Besonders brisant ist die Frage, inwieweit Kollegen des Oberstaatsanwalts in die Affäre verwickelt sind. Zwei Staatsanwälte, die mit ihm zusammengearbeitet haben, wurden inzwischen suspendiert. Ihnen wird Beihilfe zur Untreue im Amt vorgeworfen. Die Ermittlungen laufen noch.
Auch bei den Unternehmen, die Aufträge von der Zentralstelle erhielten, gibt es weitere Verdächtige. Laut Staatsanwaltschaft wird zum einen gegen eine Teamleiterin und elf freie Mitarbeiterinnen des mitangeklagten Unternehmers ermittelt. Sie stehen im Verdacht bei der Zentralstelle „tatsächlich nicht erbrachte Arbeitsstunden abgerechnet zu haben“, wie die Sprecherin der Anklagebehörde sagte.
Auch gegen die Inhaber einer zweiten Firma, die EDV-Dienstleistungen für die Zentralstelle erbracht hat, wird ermittelt. Von dort sollen - ebenfalls Schmiergelder an den Oberstaatsanwalt geflossen sein.
Kein Gutachten mehr ohne Vier-Augen-Prinzip
Als Konsequenz aus der Affäre ordnete das Justizministerium an, dass künftig bei allen hessischen Staatsanwaltschaften bei der Vergabe von Gutachten das Vier-Augen-Prinzip gilt. Eine neue Stabsstelle Innenrevision soll Korruption vorbeugen und die Kontrollmechanismen fortlaufend überprüfen. Die Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht, die der Angeklagte geleitet hatte, wurde geschlossen.
Die damalige Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) sprach von beispiellosen Vorwürfen, die sie noch immer fassungslos machten. Es habe sich um Taten mit hoher krimineller Energie gehandelt. Die Opposition im Landtag sah in dem Fall einen schweren Vertrauens- und Ansehensverlust der hessischen Justiz. (dpa)