Kabinett billigt E-Health-Gesetz
Entwurf mit Lücken
Das Bundeskabinett hat den Entwurf für das E-Health-Gesetz verabschiedet. Doch bei telemedizinischen Leistungen dreht sich die Diskussion weiter im Kreis - etwa bei der Fernüberwachung von Schrittmachern und Defibrillatoren. Anders in den USA.
Veröffentlicht:BERLIN. Die große Koalition gibt sich fest entschlossen, telemedizinische Anwendungen in Deutschland breit verfügbar zu machen. Dazu hat das Kabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf in die parlamentarischen Beratungen verabschiedet.
"Mit dem E-Health-Gesetz machen wir Tempo", versprach Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im Anschluss an die Kabinettssitzung.
Die Aussage bezieht sich auf die jahrelangen Verzögerungen bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, auf die die Regierung nun mit dem Gesetz reagiert hat.
Tatsächlich steht der Start in die neue Welt der Telemedizin nicht unmittelbar bevor. Erst zum 1. April 2017 beispielsweise sollen Telekonsile bei der Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen vergütet werden.
Die Selbstverwaltung bleibt mit dem Gesetz verpflichtet, zu prüfen, welche weiteren Leistungen telemedizinisch erbracht und vergütet werden können. Hier scheint es jedoch zu haken.
Kein Wort über telemedizinische Überwachung von kardialen Implantaten
Gröhe: "Wer blockiert, der zahlt!"
Nicht nur Hausärzte, auch Fachärzte, sollen Medikationspläne für Patienten erstellen, die mindestens drei Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen. Mit dieser Änderung hat das E-Health-Gesetz am Mittwoch das Kabinett verlassen.
Mit dem Gesetz erhalten Patienten ab Oktober 2016 einen Anspruch auf eine ärztliche Medikamentenplanung. Im Referentenentwurf war die Zuständigkeit dafür noch alleine den Hausärzten zugeschrieben worden.
Wesentlicher Bestandteil des Gesetzes sind klare Vorgaben an die Selbstverwaltung, bis wann die neuen Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte zur Verfügung stehen müssen. Auch dazu fand Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe markige Worte: "Wer blockiert, zahlt!", sagte er auch in Richtung KBV und GKV-Spitzenverband. Denen drohen Sanktionen, wenn sie Fristen reißen.
Dessen Chefin, Dr. Doris Pfeiffer, hatte zuvor mehr Einfluss der Kassen auf das Projekt gefordert. Wer zahle, solle auch bestimmen, sagte sie. (af)
Und auch zu einer weiteren telemedizinischen Leistung steht im Gesetzentwurf nichts: der telemedizinischen Überwachung von kardialen Implantaten wie Schrittmacher und Defibrillatoren (ICD).
Noch wenige Wochen, dann geht die Diskussion um die Erstattung dieser Leistung in Deutschland auch in der Selbstverwaltung in eine neue Runde.
Denn dann tritt einmal mehr der Erweiterte Bewertungsausschuss von Ärzten und Krankenkassen zusammen, um einen Konsens über die Abrechenbarkeit dieser schon länger zur Verfügung stehenden Technologie zu finden.
Zuletzt hatten die Krankenkassen einen bereits weit gediehenen Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Anfang des Jahres in letzter Minute zurückgewiesen.
Es sind aber nicht nur die Kassen, die bei der Telemedizin zögern: Auch die Bundesärztekammer erwähnt in ihrem gerade vom Ärztetag 2015 verabschiedeten Positionspapier "Ärztliche Priorisierung von Einsatzgebieten telemedizinsicher Patientenversorgung" die Schrittmacher- und ICD-Überwachung nicht mit einem Wort.
Allerdings sprechen mehrere Studien dafür, dass ein kontinuierliches oder zumindest häufigeres Monitoring einer größeren Zahl von Parametern dem Patienten mehr nutzt.
In den USA scheinen diese neueren Daten jetzt zu einem Umdenken zu führen, zumindest unter Rhythmologen. So hat die Heart Rhythm Society (HRS), die Fachgesellschaft der US-Rhythmologen, Ende April ein Konsensuspapier verabschiedet, das in der Zeitschrift Heart Rhythm publiziert wurde (Heart Rhythm 2015, online 13. Mai).
Es kommt zu dem Schluss, dass die Fernüberwachung bei Patienten mit kardialen Implantaten als neuer Standard angesehen werden sollte.
Statt dass der Patient sich in festgelegten Zeitabständen in der Praxis vorstellt, sollten Praxisbesuche in der Regel nur noch dann erfolgen, wenn ein entsprechender Alarm dies nötig mache.
Bei Fernüberwachung: Gesamtmortalität sinkt signifikant
Basis dafür ist die Gesamtauswertung einer aktuellen Metaanalyse, die australische Rhythmologen jetzt in der Zeitschrift JACC veröffentlicht haben (JACC, Mai 2015, Parthiban, N. et al.).
Hier waren die harten klinischen Ergebnisse des für die Patienten und auch für die Ärzte deutlich komfortableren Telemonitorings denen der Präsenznachsorge tatsächlich vergleichbar, je nach Studienauswahl ergab sich sogar eine statistisch signifikante Reduzierung der Gesamtmortalität bei Fernüberwachung um 35 Prozent.
Neun randomisierte, kontrollierte Studien wurden dafür ausgewertet, an denen 6469 Patienten mit Schrittmacher oder ICD teilgenommen hatten, von denen 3496 fernüberwacht wurden. Der Rest durchlief die übliche Präsenznachsorge alle 3 bis 6 Monate.
Wesentlichen Anteil an diesem Ergebnisse hatte die 2014 vorgestellte IN-TIME-Studie, bei der unter deutscher Leitung das Home-Monitoring-System des Berliner Herstellers Biotronik evaluiert worden war.
Die Raten für die Gesamtmortalität, die kardiovaskuläre Mortalität und für Klinikeinweisungen waren bei den Telemonitoring-Patienten numerisch deutlich niedriger. Das statistische Signifikanzniveau wurde aber lediglich bei den nicht adäquaten ICD-Entladungen erreicht, die bei Fernabfrage um 45 Prozent seltener auftraten.
Die ausgewerteten Studien waren allerdings sehr unterschiedlich. Wurden lediglich jene drei relativ neuen RCT analysiert, bei denen es eine tägliche Datenübermittlung gab, war die Gesamtmortalität bei Fernüberwachung um statistisch signifikante 35 Prozent geringer (OR 0,65; p=0,021).
Ähnlich wie die Rhythmologen beleuchten das Thema auch James Freeman von der Yale University und seine Kollegin Leslie Saxon, Lehrstuhlinhaberin für kardiovaskuläre Medizin an der Keck School of Medicine an der University of Southern California (JACC, Mai 2015, Remote Monitoring and Outcomes in Pacemaker and Defibrillator Patients).
Die beiden Kardiologen, die ebenfalls rhythmologische Wurzeln haben, plädieren dafür, durch entsprechende Formulierungen in den nationalen kardiologischen Leitlinien auf eine stärkere Nutzung der bisher auch in den USA noch nicht flächendeckend genutzten Fernabfrage hinzuwirken.