Streit um den Abtreibungsparagrafen
Etappensieg für Hausärztin Kristina Hänel
Verurteilung aufgehoben: Das Landgericht Gießen muss den Hänel-Prozess um Infos zur Abruptio neu aufrollen.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat am Mittwoch das Strafurteil gegen die Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel aufgehoben (Az.: 1 Ss 15/19). Das Landgericht (LG) Gießen soll den Streit nach den Maßstäben des im März 2019 geänderten Strafparagrafen 219a erneut prüfen.
Hänel informiert auf ihrer 2001 eingerichteten Praxis-Website bis heute darüber, dass in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche möglich sind. Vorübergehend – nach ihren Angaben durch ein Versehen ihres Programmierers – waren dort auch Infos zu den Methoden lesbar.
Inzwischen können diese Infos nur noch per E-Mail angefordert werden. Diese Lösung hatte Hänel nach eigenen Angaben nach rechtlicher Beratung durch die Landesärztekammer Hessen, die das OLG-Urteil als „wegweisende Entscheidung gegen die Kriminalisierung von Ärzten“ bezeichnet, gewählt.
Laut Paragraf 219a Strafgesetzbuch in seiner ursprünglichen Fassung machte sich jedoch bereits strafbar, wer Schwangerschaftsabbrüche „öffentlich“ und zudem „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ anbietet. Das Amtsgericht Gießen hatte Hänel daher zu einer Geldstrafe von insgesamt 6000 Euro verurteilt. Dies hatte das LG Gießen im Oktober bestätigt.
Nach dem Ende März in Kraft getretenen „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ gilt die Strafandrohung allerdings nicht mehr, wenn Ärzte darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Mit Blick darauf hob nun das OLG das LG-Urteil auf. Um den Streit zu beurteilen, müsse es die neue Rechtslage berücksichtigen. Gleichzeitig müsse sich das OLG aber an die Feststellungen des LG halten, das in seinem Urteil die geänderte Gesetzeslage noch nicht berücksichtigen konnte. Daher soll das LG hierzu nun noch weitere Feststellungen treffen.
Wenn das LG Gießen diese Position teilt, wird es zu klären haben, ob das Angebot weiterer Informationen per E-Mail bereits als „öffentliche“ Information gilt und gegebenenfalls auch, ob dies nennenswerte wirtschaftliche Erträge zur Folge hatte.
Zudem könnte es darauf ankommen, inwieweit es Hänel anzulasten ist, dass nähere Infos vorübergehend und nach ihren Angaben versehentlich direkt auf der Website veröffentlicht worden waren.
Hänel strebt allerdings eine höchstinstanzliche Klärung an. Laut dpa wertet Hänel das OLG-Urteil als „Ehrenrunde auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht“.