Berufsrecht

Falsche Atteste für Corona-Gegner? Ärztekammern prüfen Hinweise

Gegner der Corona-Maßnahmen besorgen sich mitunter falsche Atteste, um keine Masken tragen zu müssen. Die Landesärztekammern gehen Hinweisen nach, inwieweit Ärzte dabei das Berufsrecht missachten. Handelt es sich nur um Einzelfälle?

Von Magdalena Tröndle Veröffentlicht:
Alles in Ordnung mit dem Attest? Eine junge Frau mit einem ärztlichen Schreiben, das sie vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes freistellt, wird auf dem Johannes Rau Platz in Düsseldorf bei einer Demonstration vom Ordnungsamt kontrolliert.

Alles in Ordnung mit dem Attest? Eine junge Frau mit einem ärztlichen Schreiben, das sie vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes freistellt, wird auf dem Johannes Rau Platz in Düsseldorf bei einer Demonstration vom Ordnungsamt kontrolliert.

© David Young / dpa / picture alliance

Berlin. Bundesweit gehen die Landesärztekammern mehreren hundert Hinweisen nach, bei denen Ärzte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gegen Berufsrecht oder Infektionsschutzverordnungen verstoßen haben sollen. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur hervor. Nach Angaben der Landesärztekammern können sich allerdings mehrere Hinweise auf gleiche Ärzte beziehen, weshalb es sich bei insgesamt mehr als 500.000 gemeldeten Ärzten in Deutschland nach Einschätzung der Landesärztekammern um Einzelfälle handelt.

Bei den Hinweisen geht es zum Beispiel um Beschwerden gegen Ärzte, die falsche Atteste ausstellen, um etwa Gegner der Corona-Maßnahmen von der Maskenpflicht zu befreien. In den Berufsordnungen der Länder ist klar geregelt: Vor einem Attest, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für einen Patienten unzumutbar ist, muss immer mit Sorgfalt geprüft und im Einzelfall entschieden werden. „Das Ausstellen eines Blanko-Attests ohne vorheriges Arztgespräch entspricht nicht der ärztlichen Sorgfaltspflicht“, teilt zum Beispiel die Landesärztekammer Baden-Württemberg mit.

Auch Ärzte missachten Hygieneregeln

Die Hinweise beziehen sich aber nicht nur auf sogenannte Gefälligkeitsatteste, sondern auch auf die Missachtung der Hygieneregeln in Arztpraxen oder auf kritische Äußerungen zur Pandemiegefahr, wie aus den Angaben der Landesärztekammern hervorgeht. Die Ärztekammer Bremen teilt mit: „Solange sich Ärzte als Privatperson zur Corona-Pandemie äußern, sind Äußerungen im Rahmen der für alle Bürger geltenden Meinungsfreiheit zulässig. Wenn Ärzte unter Hinweis auf ihre berufliche Stellung und Expertise äußern, haben sie die Vorschriften der ärztlichen Berufsordnung einzuhalten.“

In Baden-Württemberg gingen nach Angaben der Landesärztekammer bis Februar 2021 rund 340 Beschwerden gegen Ärzte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ein. Allein im Februar 2021 waren es den Angaben zufolge 37, fünf davon wurden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Wie die Landesärztekammern im Detail mit den Hinweisen verfahren und welche Bußen verhängt werden, unterscheidet sich von Land zu Land leicht. Für einen möglichen Entzug der Approbation ist aber in jedem Fall nicht direkt die Landesärztekammer, sondern die Approbationsbehörde zuständig.

Hinweise gegen 49 Ärzte in Thüringen

Die Bayerische Landesärztekammer führt nach eigenen Angaben keine Statistik über berufsrechtliche Beschwerden. Es seien nur „einige wenige Fälle“ bekannt geworden, in denen Gefälligkeitsatteste ausgestellt worden seien. In etwas mehr als 20 Fällen habe es aber Hinweise gegen Ärzte gegeben, die die Infektionsschutzverordnung nicht eingehalten hätten.

In Thüringen liegen nach Angaben der Landesärztekammer Hinweise gegen 49 Ärzte vor. In zwei Fällen laufe derzeit ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren, in einem Fall eine staatsanwaltliche Ermittlung.

Die Sächsische Landesärztekammer geht nach eigenen Angaben rund 60 Vorgängen nach. Zwölf Verstöße gegen den Infektionsschutz seien bislang an die Gesundheitsämter weitergeleitet worden. Zudem gebe es vier Fälle, die zu Strafanzeigen geführt hätten. In Sachsen-Anhalt befinden sich nach Angaben der Ärztekammer derzeit etwa zehn Vorgänge im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in laufender Prüfung.

In Berlin sind nach Angaben der Ärztekammer seit März 2020 mindestens 35 Beschwerden im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingegangen. Vorwiegend gehe es um Beschwerden von Patienten, die in einer Arztpraxis auch im Wartebereich keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen mussten oder sogar dazu aufgefordert wurden, eine solche abzunehmen. Für Brandenburg gab es zunächst keine Angaben.

Strafrechtliche Ermittlungen „in einstelliger Zahl“

Die Ärztekammer Niedersachsen teilte mit, ihr seien bislang 91 Beschwerden bekannt. Die wenigsten hätten in ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren überführt werden müssen. Strafrechtliche Ermittlungen gäbe es in einstelliger Zahl. Die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe sind nach eigenen Angaben rund 40 Beschwerden nachgegangen. Wie die Ärztekammer Nordrhein mitteilte, war beispielsweise im Internet für ärztliche Bescheinigungen zur Befreiung von der Maskenpflicht geworben worden.

In Rheinland-Pfalz gab es laut der Landesärztekammer bislang fünf berufsrechtliche Prüfungen. Bislang seien vier Ermahnungen ausgesprochen worden. „In Zeiten, in denen entsprechende Demonstrationen nicht stattfinden, gehen bei uns weniger Meldungen ein“, teilte die Landesärztekammer mit. Die bei der Landesärztekammer Hessen bekannt gewordenen Verdachtsfälle werden nach eigenen Angaben derzeit alle berufsgerichtlich geprüft: Es sind vier, Tendenz sinkend.

In Schleswig-Holstein wird die Zahl berufsrechtlicher Prüfverfahren in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie im niedrigen zweistelligen Bereich geschätzt. In Mecklenburg-Vorpommern bewegen sich die Fälle, die im Zusammenhang mit der Ausstellung falscher Atteste stehen, laut Ärztekammer im einstelligen Bereich. Für Hamburg gab es zunächst keine Angaben.

Im Saarland gab es in den vergangenen Monaten der zuständigen Ärztekammer zufolge keine Beschwerden im Zusammenhang mit Gefälligkeitsgutachten. Auch in Bremen seien derzeit keine Verfahren anhängig. Drei Fälle hatte die Ärztekammer hier geprüft, jedoch keinen Anlass gesehen, berufsrechtliche Schritte einzuleiten. (dpa)

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