Rechtsmedizin

Forscher wollen Haaren mehr Infos entlocken

Derzeit ist die DNA-Analyse der Goldstandard in der Rechtsmedizin. Doch auch Haar-Proteine verraten eine Menge über einen Menschen. So konnten US-Forscher mittels Isotopenanalyse Geschlecht und BMI des Haarbesitzers ermitteln.

Von Andrea Barthélémy Veröffentlicht:
Mit einer Haarprobe Aussagen zum Lebensstil des Besitzers treffen? Noch sind Experten skeptisch.

Mit einer Haarprobe Aussagen zum Lebensstil des Besitzers treffen? Noch sind Experten skeptisch.

© Wtonhom1009 / fotolia.com

SAN FRANCISCO. Alter und Geschlecht, Ernährung und Lebensstil präzise aus einer Haarprobe ablesen? Bis dahin ist es noch ein Stück des Wegs, doch Wissenschaftler aus den USA gehen die ersten Schritte. Mit Isotopenanalysen wollen sie diese Informationen in Zukunft Haaren entlocken und so auch die Rechtsmedizin vorantreiben.

Das Verfahren habe durchaus Vorteile gegenüber DNA-Analysen, weil es mehr über den Lebensstil der Person aussage, berichtete das Team um Glen Jackson auf einem Treffen der Amerikanischen Chemischen Gesellschaft in San Francisco. "Man könnte genetisch identische Zwillinge haben, und wenn einer übergewichtig und der andere schlank ist, könnte unsere Methode diesen Unterschied möglicherweise an den Haaren ablesen." Allerdings, so betonen neben Jackson auch deutsche Experten, sind noch viele Fragen offen.

Trefferquote von 90 Prozent

Den Chemikern um Jackson von der West Virginia University gelang es ihren Angaben nach, aus Haarproben von 20 Frauen mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit den Body-Mass-Index der Haarbesitzerin richtig zu bestimmen. Die Trefferquote bei einem weiteren Versuch, unter 20 Haarproben von Männern und Frauen das richtige Geschlecht zu bestimmen, lag laut Forschern bei 90 Prozent.

Doch wie funktioniert diese Analysetechnik? Der Fokus liegt auf Elementen, die im Haarbestandteil Keratin vorkommen, beispielsweise Kohlenstoff und Stickstoff. Sie liegen in unterschiedlichen Isotopen vor. Je nach Ernährung und Lebensstil stehen die Isotope eines Elements in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Aus mehreren solchen Isotopen-Verhältnissen kann man eine Art Fingerabdruck generieren, der sich von Mensch zu Mensch unterscheidet.

Forensik-Experten der Universität Heidelberg sagen, der Ansatz der US-Chemiker habe "durchaus Charme", bleiben angesichts geringer Fallzahlen, wenig Details und fehlender Vergleichsgrößen zu aussagekräftigen Biomarkern aber skeptisch. "Bisherige Erfahrungen mit Isotopenanalysen in der Rechtsmedizin sowie auch mit toxikologischen Haaranalysen lassen gewisse Zweifel aufkommen, dass es in absehbarer Zeit gelingen wird, aus Haaranalysen Aussagen mit einer solchen Genauigkeit treffen zu können, wie sie im Strafrecht erforderlich wäre", ist Kathrin Yen vom Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin überzeugt.

Welche weiteren Ansätze gibt es bislang? Weil die DNA in Haaren fragil ist und je nach Witterung schnell brüchig wird, versuchen Wissenschaftler, Haare auf Basis markanter Proteinstellen zuzuordnen. Denn Proteine sind wesentlich robuster als DNA.

Gibt DNA-Methylierung Hinweise?

Eine weitere Idee kommt aus der Molekularbiologie. Dort werde versucht, aus spezifischen Veränderungen des DNA-Strangs, der DNA-Methylierung, Hinweise auf die Lebensgewohnheiten zu erhalten, berichtet Marc Bartel von der Universität Heidelberg. Rechtsmediziner der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München forschen seit längerem daran, mittels Isotopenuntersuchungen von Haaren die geografische Herkunft Verstorbener zu ermitteln.

In Deutschland werden Haaranalysen in der forensischen Toxikologie derzeit ja zum Nachweis von Alkohol, Drogen oder Medikamenten durchgeführt. Auch Monate zurückliegender Konsum kann so nachgewiesen werden. (dpa)

Ein Video der Forscher zum Verfahren: www.youtube.com/watch?v=_2JkD1ih0do

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