Entgeltsystem in der Psychiatrie
Friedenssignale im PEPP-Streit
So dynamisch die Abkürzung PEPP klingt, so erbittert ist das neue Vergütungssystem (Pauschalierende Entgelte Psychiatrie und Psychosomatik) von vielen der betroffenen Einrichtungen bekämpft worden. Jetzt sind Friedenssignale zu hören.
Veröffentlicht:STUTTGART. Im Herbst vergangenen Jahres scheuten Ärzte und Fachverbände der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht vor Drastik zurück.
Von einer "kinderfeindlichen Regelung" war die Rede, von der Gefahr eines "rasanten Personalabbaus", die am Ende einer "Verwahrpsychiatrie" wieder Tür und Tor öffnen könne.
Zielscheibe der Kritik ist das InEK, das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, das mit der Erarbeitung des Katalogs beauftragt war. Die Fachverbände warfen dem Institut vor, durch fragwürdige Daten und Kodierungen ein fachlich nicht angemessenes Entgeltsystem vorgelegt zu haben.
Das Bundesgesundheitsministerium, so die Kritik der Verbände, "hört an, aber hört nicht zu".
Das InEK dagegen spricht davon, man habe auf Grundlage einer "auch im internationalen Vergleich sicher einzigartigen Datengrundlage" ein "solides Ausgangsmodell" geschaffen.
Bahr zieht die Reißleine
Nachdem kein Ende im Streit absehbar war, zog Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) im November 2012 die Reißleine und setzte per Ersatzvornahme das PEPP-System zum 1. Januar 2013 in Kraft.
Zu den Kritikern gehört Professor Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universität Ulm. "Die Ersatzvornahme ist eine schwere Hypothek für den Start und die Akzeptanz des PEPP-Systems", sagte er - und das bei einem gesundheitspolitischen Großprojekt.
"Die Psychiatrie steht mit der Einführung des PEPP-Systems vor einem ähnlich großen Paradigmenwechsel wie die somatische Versorgung beim Start der DRG", erläutert Andreas Vogt, Leiter der Landesvertretung Baden-Württemberg der Techniker Kasse.
Er sieht die Chance, künftig "Transparenz herzustellen, welche psychiatrische Erkrankung wie viel Ressourcen bindet". Gesundheitsminister Bahr verbindet damit die Hoffnung, auch mehr Vergütungsgerechtigkeit zwischen den Einrichtungen zu schaffen.
Bis 2016 zunächst budgetneutral
Auch Mediziner Fegert hält "die Grundtendenz des PEPP-Systems nicht für falsch, wenn der Schweregrad der Erkrankungen differenzierter als bisher abgebildet wird".
Skeptisch macht ihn, dass die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) Ende 2016 außer Kraft gesetzt werden soll.
Darin ist die personelle Ausstattung psychiatrischer Kliniken geregelt. Fegert fordert, dass Qualitätsvorgaben wie die Psych-PV "auch künftig definiert und überwacht werden".
Von 2013 bis 2016 soll der neue Entgeltkatalog in einem "lernenden System" zunächst budgetneutral eingesetzt werden. In der PEPP-Systematik wird, erläutert TK-Landeschef Vogt, an einer tagesorientierten Vergütung festgehalten.
Dabei werden abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und von der Diagnose tagesgleiche Pauschalen definiert. Zugleich sind in der PEPP-Systematik für bestimmte Erkrankungen Korridore von durchschnittlichen Verweildauern definiert.
Das InEK geht dabei davon aus, dass im Laufe des Aufenthalts eines Patienten sich die Kosten degressiv entwickeln.
InEK braucht breite Datenbasis
Um abzuklären, ob diese Annahme tatsächlich zutrifft, braucht das InEK Daten. Deshalb werben auch Kritiker des PEPP-Systems wie Fegert dafür, nicht in Fundamentalopposition zu verharren.
"Ich plädiere dafür, dass möglichst viele Häuser sich an der budgetneutralen Phase beteiligen. Dies macht die Datenbasis transparent und erhöht die Chancen für ein faires System", so Fegert.
Auch TK-Landeschef Vogt wirbt für den "zügigen Beginn der Lernphase". Dabei wünscht er sich, dass die baden-württembergische Landesregierung die PEPP-Einführung "mit einem Dialogprozess begleitet".
Aus Sicht von Fegert gäbe es viel zu besprechen. Denn mit dem neuen Entgeltsystem sei die Chance vertan worden, nicht nur die "Währung", sondern auch die Strukturen der Versorgung zu verändern.
"Um so dringender ist es, in Modellversuchen Alternativen zur alleinigen stationären Versorgung zu erproben", so Fegert.