Nachhaltigkeit
Grüne Landwirtschaft – am Kapitalmarkt angekommen
Weniger Pestizide, weniger Düngemittel, keine Fleischproduktion: Eine Reihe börsennotierter Unternehmen setzt auf nachhaltige Agrarproduktion, wie sie die UNO und die neue Ampel-Koalition in Berlin fordern.
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Brot oder Fleisch? Wo es hingeht ist dem Getreide nicht anzusehen – macht in der Klimabilanz aber einen großen Unterschied. Auch erste Agrarkonzerne bekennen sich schon zu nachhaltiger Landwirtschaft.
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Neu-Isenburg. Geplant ist nicht weniger als eine Revolution der bisherigen Agrarpolitik: „Unser Ziel ist eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft, die Umwelt, Tieren und Klima gerecht wird“, heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien.
Weniger Pestizide und weniger Gülle auf den Feldern; mehr Platz für Hühner, Kühe und Schweine in den Stallungen: Deutschlands neue Regierung will damit in Gesetzesform gießen, was eine wachsende Zahl von Verbrauchern verlangt – eine nachhaltige Landwirtschaft.
Von diesem Trend könnten Anleger profitieren, sagt Uwe Wiesner, Stratege bei der Vermögensverwaltung Hansen & Heinrich in Berlin. „Unternehmen, die hier tätig sind, werden durch den starken Rückenwind einer wachsenden Verbrauchernachfrage zunehmend an Dynamik gewinnen und auf diese Weise ihre Gewinne und Aktienkurse erheblich steigern können.“
Fleisch braucht Fläche
Bis 2050 wird die Weltbevölkerung um weitere zwei Milliarden Menschen auf 9,74 Milliarden steigen, prognostiziert die UNO. Eine Zahl, die mit der heutigen, auf Fleisch basierenden Agrarwirtschaft nicht zu ernähren sein wird, warnen die Experten des globalen Staatenbundes. Das gegenwärtige Agrarsystem führe zu „Fehl- und Überernährung sowie zum Problem der ungesunden Ernährung“, sagt Joachim von Braun, wissenschaftlicher Beirat der Vereinten Nationen und Vizepräsident der Welthungerhilfe.
Weltweit werde mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen genutzt, um nicht Menschen, sondern Mastvieh zu ernähren. Deshalb würden immer mehr Wälder abgeholzt und deren Bäume nicht mehr zur Umwandlung des Treibhausgases Kohlendioxid in Sauerstoff zur Verfügung stehen.
Eine Studie der Universität Oxford zeigt, dass sich die landwirtschaftlichen Anbauflächen weltweit um 75 Prozent verringern ließen, wenn sich alle Menschen vegan ernähren würden. „Eine vegane Ernährung ist wahrscheinlich die beste Möglichkeit, den menschlichen Einfluss auf die Erde zu verringern, nicht nur bei Treibhausgasen“, sagt Professor Joseph Poore, der die Untersuchung geleitet hat.
Bei einer Umstellung auf vegetarische Ernährung würde der Flächenbedarf um immerhin 46 Prozent sinken, zeigt eine Studie der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF – World Wide Fund for Nature. Bei der veganen Ernährung wird komplett auf tierische Lebensmittel verzichtet, bei der vegetarischen auf Fleisch und Fisch, nicht jedoch auf Produkte lebender Tiere wie Milch und Eier.
Eine Reihe auch an deutschen Börsen gelisteter ausländischer Unternehmen setze bereits erfolgreich auf Bioprodukte und Fleisch-Alternativen, sagt Anlageexperte Wiesner. „Sie zeigen, dass systemübergreifende und ganzheitliche Veränderungen mit neuen Produktionsmöglichkeiten existieren.“ Ein Beispiel dafür ist Oatly. Das schwedische Unternehmen produziert Hafergetränke, die frei von Milch und Sojaeiweiß sind. Der seit Mai dieses Jahres börsennotierte Hersteller erzielte im dritten Quartal einen Umsatz von 171,1 Millionen Dollar – ein Plus von 49 Prozent gegenüber Vorjahr.
Ein weiteres Beispiel ist der US-Agrarkonzern Archer Daniels Midland, dessen Aktienkurs in den vergangenen zwölf Monaten 25,5 Prozent gewonnen hat. Das Unternehmen aus Chicago ist Vorreiter beim Smart Farming, dem Einsatz von Digitaltechnik in der Landwirtschaft, um den Gebrauch von Pestiziden und Düngemitteln so niedrig wie möglich zu halten. Die 1902 gegründete Firma schüttet seit 89 Jahren kontinuierlich steigende Dividenden aus. In diesem Jahr wurden 1,48 Dollar je Aktie ausgeschüttet (+2,8 Prozent).
Beyond Meat in der Krise
Hingegen macht dem US-Hersteller veganer Fleischersatzprodukte, Beyond Meat, die Pandemie zu schaffen. Gesundheitsbewusste Amerikaner meiden Restaurants, über die das Unternehmen aus dem kalifornischen El Segundo einen Teil seiner Waren vertreibt. Der Absatz über Supermärkte konnte dies nur teilweise ausgleichen. Der Aktienkurs ist deshalb in den vergangenen zwölf Monaten um 53 Prozent gefallen. In den drei Monaten bis Ende September verbuchte Beyond Meat lediglich einen Umsatzzuwachs von 13 Prozent auf 106,4 Millionen Dollar; Analysten hatten jedoch im Schnitt einen Umsatz von 109 Millionen Dollar erwartet.
Weil es für Anleger bei ausländischen Unternehmen schwer ist, abzuschätzen, wie sich Umsatz und Gewinn entwickeln, rät Wiesner, auf Fonds zu setzen, die das Kapital breit streuen. Der DJE-Fonds Agrar und Ernährung etwa investiert in Aktien von Landwirtschaftskonzernen und Agrarmaschinenhersteller wie Deere. Hingegen sei der Rize Sustainable Future of Food auf Aktien von Unternehmen fokussiert, „die den Übergang zu nachhaltigeren Lebensmittelproduktionssystemen und Konsumverhaltensmustern beschleunigen“, so Wiesner. Seit Dezember 2020 hat der DJE-Fonds 21 Prozent gewonnen, der Rize-Fonds elf Prozent.