Brustimplantate-Skandal
Haftstrafe für PIP-Gründer
Rund zehn Jahre lang produzierte die Firma PIP Brustimplantate aus billigem Industriesilikon, hunderttausenden Frauen wurden die Implantate weltweit eingesetzt: Jetzt ist der Gründer der Firma zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Veröffentlicht:MARSEILLE. Im Prozess um Brustimplantate aus Billig-Silikon ist der Gründer des Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) wegen Betrugs und Verbrauchertäuschung zu vier Jahren Haft verurteilt worden.
Ein Gericht in Marseille sah es am Dienstag als erwiesen an, dass der 74 Jahre alte Jean-Claude Mas seine Kunden und auch den TÜV Rheinland, der als Nebenkläger auftrat, bewusst täuschte.
Rund zehn Jahre lang hatte sein Unternehmen Implantate aus billigem und nicht für Medizinprodukte zugelassenem Industriesilikon hergestellt.
Allein in Deutschland wurden schätzungsweise mehr als 5000 Frauen PIP-Implantate eingesetzt, weltweit waren Hunderttausende betroffen.
Zusätzliche Geldstrafe in Höhe von 75.000 Euro verhängt
Das Gericht verurteilte Mas darüber hinaus zu einer Geldstrafe von 75.000 Euro, ihm wurde zudem ein Berufsverbot auferlegt. Vier mitangeklagte frühere Mitarbeiter erhielten Haftstrafen zwischen 18 Monaten und drei Jahren, ausgesetzt zum Teil auf Bewährung.
Der Skandal war 2010 aufgeflogen, nachdem sich Hinweise auf eine erhöhte Reißanfälligkeit der Produkte gehäuft hatten. Behörden, darunter in Frankreich und Deutschland, empfahlen deswegen in einer beispiellosen Aktion ein vorsorgliches Explantieren der Implantate.
Weltweit implantierten Chirurgen Schätzungen zufolge Hunderttausenden Frauen Silikonkissen des mittlerweile insolventen Unternehmens. Mehr als 7000 von ihnen traten in dem ersten Strafprozess als Nebenkläger auf.
Der TÜV Rheinland war für die Zertifizierung der Implantate und des PIP-Qualitätssicherungssystems zuständig. "Wir sind zufrieden, dass das Gericht den TÜV als Opfer anerkannt hat", kommentierte TÜV-Anwalt Olivier Gutkès.
Für den TÜV Rheinland gilt das Urteil als wichtiger Etappensieg im Kampf um den guten Ruf.
In einem Zivilverfahren hatte eine Jury aus Laienrichtern dem deutschen Prüfdienstleister vor wenigen Wochen in erster Instanz für schuldig befunden, seine "Pflicht zur Kontrolle und Wachsamkeit" verletzt zu haben.
Mehr als 1600 an dem Prozess beteiligte Frauen und sechs Händler können deswegen in einem ersten Schritt je 3000 Euro Schadenersatz plus Gerichtskosten beantragen - insgesamt rund 5,6 Millionen Euro.
TÜV kann gestärkt in sein Revisionsverfahren gehen
Mit dem Urteil aus Marseille hat der TÜV jetzt allerdings einen Trumpf für das Berufungsverfahren in der Tasche. Das Strafgericht erkennt klar einen Betrug an dem deutschen Unternehmen durch die Franzosen an.
Mas hatte in dem Prozess beteuert, dass sein Gel nicht giftig oder gefährlich gewesen sei. Die mündliche Verhandlung war bereits Mitte Mai zu Ende gegangen.
Experten erwarten, dass sich die juristische Aufarbeitung des Skandals auch nach dem Urteil an diesem Dienstag noch lange hinziehen könnte. So sind die Ermittlungen zu Straftatbeständen wie Körperverletzung und Insolvenzbetrug noch im Gange. (dpa)