Kompartmentsyndrom übersehen
Hausarzt muss 50.000 Euro Schmerzensgeld zahlen
Ein Mann verliert seinen Unterarm. Grund ist ein grober Behandlungsfehler des nachsorgenden Hausarztes, befanden Richter.
Veröffentlicht:KÖLN. Wenn der nachsorgende Hausarzt nach einer Gipsschienenbehandlung trotz typischer Beschwerden des Patienten die Möglichkeit eines Kompartmentsyndroms nicht in Betracht zieht, ist das ein grober Behandlungsfehler. Für den Verlust eines Unterarms ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro angemessen, entschied das Oberlandesgericht Hamm (OLG) vor Kurzem (Az.: 26 U 59/16).
Ein Mann hatte durch einen Unfall ein Anpralltrauma am rechten Unterarm erlitten. Der rechte Unterarm und die rechte Hand wurden durch eine Gipsschiene ruhig gestellt. Eine Woche später zeigten sich am Unterarm eine deutliche Schwellung, ein Hämatom und eine Bewegungsminderung, der damals 48-Jährige klagte über starke Schmerzen. Der Hausarzt ließ die Schiene erneuern und verschrieb ein Schmerzmittel. Als sich der Zustand verschlechterte, überwies der Hausarzt den Patienten zu einem niedergelassenen Chirurgen, dieser schickte ihn sofort in eine Klinik. Dort wurde ein fortgeschrittenes Kompartmentsyndrom diagnostiziert. Dem Mann musste der rechte Unterarm amputiert werden.
Während das Landgericht die Klage gegen den Hausarzt zurückgewiesen hatte, verurteilte das OLG ihn zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 50.000 Euro plus Schadenersatz. Der Hausarzt hatte sein Vorgehen erst nachträglich während des Strafverfahrens dokumentiert mit der Begründung, bei der ursprünglichen Behandlung sei sein Rechner bereits aus gewesen. Das werteten die OLG-Richter als unglaubhaft. Sie gingen davon aus, dass der Hausarzt die notwendige Sichtkontrolle unter Abnahme des Gipses unterlassen hat.
Angesichts der vorliegenden Symptome hätte der Arzt den Patienten in Richtung auf ein Kompartmentsyndrom untersuchen müssen, so das OLG. Das Unterlassen wertete das Gericht als Abweichen vom hausärztlichen Standard und als groben Behandlungsfehler. Wegen des erheblichen Gefährdungspotenzials mit Gefahr einer lebenslangen massiven Schädigung und Beeinträchtigung hätte das Vorliegen der Erkrankung zwingend ausgeschlossen werden müssen, entschieden die Richter.
"Es ist davon auszugehen, dass bei rechtzeitigem Erkennen des Kompartmentsyndroms frühzeitiger eine chirurgische Intervention erfolgt wäre", heißt es in dem Urteil. Die Nekrotisierung hätte zwar beseitigt werden müssen, sie wäre aber nicht weiter fortgeschritten und hätte in geringerem Umfang ausgeräumt werden müssen. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. (iss)