Programm „Hausarzt 360 Grad“

Hausarzt und Führungskraft – das geht!

Vor zwei Jahren startete an der Münchener LMU das Führungskräfteprogramm „Hausarzt 360 Grad“. Und damit haben die Initiatoren offenbar einen Nerv bei jungen Ärzten getroffen. Zu tun bleibt in Sachen Nachwuchsförderung aber trotzdem noch einiges.

Von Birgit Fenzel Veröffentlicht:
Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (5. v.l.) mit sechs jungen Assistenzärzten des LMU-Führungskräfteprogramms „Hausarzt 360°“, Prof. Jochen Gensichen (rechts), Prof. Tobias Dreischulte (links) und Dr. Lina Lauffer (2. v.r.).

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (5. v.l.) mit sechs jungen Assistenzärzten des LMU-Führungskräfteprogramms „Hausarzt 360°“, Prof. Jochen Gensichen (rechts), Prof. Tobias Dreischulte (links) und Dr. Lina Lauffer (2. v.r.).

© StMGP

München. Stärkung der Allgemeinmedizin, Hausärztemangel und Erfahrungen mit Weiterbildungsmaßnahmen – beim Kamingespräch, zu dem sich Bayerns Ministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml (CSU), mit den Teilnehmern des LMU-Führungskräfteprogramms „Hausarzt 360 Grad“ am Klinikum der Universität München traf, kamen brennende Themen in der Gesundheitspolitik aufs Tapet.

Werben für den Beruf des Hausarztes, wie es die Ministerin bei ihren öffentlichen Auftritten gerne macht, musste sie bei dieser Gelegenheit nicht. „Genau diese Leute bilden wir hier aus“, sagte der Leiter des LMU-Führungskräfteprogramms, Professor Jochen Gensichen. Das Institut für Allgemeinmedizin am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), dessen Direktor er ist, versteht sich als Brücke zwischen akademischer Hochschulmedizin und flächendeckender ambulanter Versorgung. Die sechs jungen Ärztinnen und Ärzte, mit denen sich Huml zum Gespräch traf, sind die ersten Teilnehmer des vor zwei Jahren gestarteten Programms.

Fit für die Lobbyarbeit?

Auf dem Weg zu ihrer Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner absolvieren die vier Frauen und zwei Männer binnen drei Jahren am Klinikum ein anspruchsvolles Modulprogramm, in dem sie neben ihrer klinischen Ausbildung auf Leitungspositionen vorbereitet werden. Nach Abschluss der Weiterbildung sollen die Teilnehmer des Programms hauptberuflich als Hausärzte in einer Praxis tätig sein und zugleich Lobbyarbeit in Berufsverbänden, bei Parteien oder auch bei Versicherungen übernehmen.

„Es ist spannend, mit jenen zusammenzutreffen, die sagen, ich übernehme Verantwortung und gehe diesen Weg“, sagte die Ministerin im Anschluss an das Gespräch. Doch ging es dabei nicht nur um die Erfahrungsberichte der Teilnehmer, sondern um aktuelle Probleme und Lösungsmöglichkeiten. Die Tatsache, dass das Gespräch 30 Minuten länger dauerte als geplant, zeigt angesichts des engen Terminkalenders einer Ministerin, welchen Stellenwert sie dem Treffen beimaß – und, dass es offenkundig viel zu bereden gab.

Wenn es durch das Führungskräfteprogramm „Hausarzt 360 Grad“ gelinge, engagierte Nachwuchskräfte zu einer Leitungstätigkeit in der Medizin zu motivieren und auf die Übernahme einer Praxis vorzubereiten, habe man viel gewonnen, so die Ministerin mit Blick auf die demografische Entwicklung in den Praxen. „Noch ist die Versorgungslage gut“, stellte sie fest. Doch angesichts der Tatsache, dass jeder dritte Hausarzt in Bayern über 60 Jahre alt sei, gehe es jetzt darum, eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe hausärztliche Versorgung für die Zukunft sicherzustellen. Das gelte in der Stadt ebenso wie in ländlichen Regionen. „Wir brauchen mehr junge Mediziner, die sich für den wichtigen Beruf des Hausarztes begeistern und ihn auch auf dem Land ausüben wollen“, so die Ministerin, die in jüngster Zeit einige eigene Förderprogramme aufgelegt hat, um dem Medizinernachwuchs das Landleben schmackhaft zu machen.

Ob sie ihre Zukunft als Hausarzt in kleineren Gemeinden oder Dörfern sehen, war von Humls Gesprächspartnern nicht direkt zu erfahren. Wohl aber, dass sich die meisten von ihnen tatsächlich vorstellen können, als Allgemeinmediziner zu praktizieren. Einer von ihnen ist der Assistenzarzt Paul Delker aus Leipzig. „Während meines praktischen Jahres in einer Hausarztpraxis wurde mir klar, dass ich das machen will“, sagt er und begründet dies mit der Nähe zum Patienten, die ein Hausarzt habe. „Man kann sie durch verschiedene Lebensphasen begleiten und betreut teilweise ganze Familien.“

Seit anderthalb Jahren nimmt der 28-Jährige an dem LMU-Führungskräfteprogramm teil. An den Modulen von „Hausarzt 360 Grad“ schätzt er speziell die Dualität zwischen klinischer Ausbildung und wissenschaftlicher Tätigkeit. „Während meiner Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin habe ich die Möglichkeit, mich mit interessanten Forschungsthemen zu befassen“, erklärte er.

Wege in die Förderung verbessern

Sein Projekt, an dem er in den vergangenen sechs Monaten geforscht hat, bietet unter dem Titel „Hausärztemangel – eine explorative Erhebung der bayerischen Fördermaßnahmen“ einen fundierten Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten zur Weiterbildung für Schüler, Studierende, Ärzte in Weiterbildung und auch Hausärzte im Freistaat. Der Gesamtbericht wird zwar erst zum Jahresende vorliegen, die ersten Resultate brachte er aber zum Kamingespräch mit. Die Ministerin zeigte sich interessiert. „Es gibt zwar viele Angebote auf vielen Ebenen, doch wer etwas will, muss suchen“, so ihr Eindruck.

So stand denn auch am Ende des 90-minütigen Gesprächs die gemeinsame Erkenntnis: Um die Allgemeinmedizin zu stärken und die Herausforderungen des Hausarztmangels zu meistern, leistet das Projekt „Hausarzt 360 Grad“ einen wichtigen Beitrag. Man müsse für das Fach begeistern, meinte Sabine Schlüssel, Sprecherin der Teilnehmergruppe. „Und genau das schafft meiner Meinung nach dieses Programm.“ Eigentlich – auch darüber waren sich die Gesprächsteilnehmer einig mit der bayerischen Gesundheitsministerin – müsse an jeder bayerischen Universität die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin deutlich ausgebaut werden.

Eine Verlängerung oder Erweiterung auf eine größere Teilnehmerzahl hält auch Gensichen für wünschenswert. Dies würde aber unter den gegebenen Bedingungen den Rahmen sprengen. Durch den Spagat zwischen Lehre und Klinik seien die Leistungsgrenzen erreicht. „Die Anforderungen an alle Beteiligten sind schon ein Brett“, so Gensichen. „Aber wir bohren hier gern dicke Bretter, wenn sie zu so hervorragenden Ergebnissen führen wie wir sie hier gerade haben.“ Daher ist auch die Fortsetzung des Projekts nach seinem Auslaufen gegen Ende nächsten Jahres fest geplant.

Weiterbildung plus

  • Special Training: Zusätzlich zur ärztlichen Weiterbildung werden die Teilnehmer etwa in Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, interdisziplinärer Zusammenarbeit, Gesundheitspolitik, betrieblichem Management und Führungskompetenz geschult.
  • Karriereplanung und Networking: Die jungen Ärzte werden bei Fragen zur Promotion, Habilitation, Auslandsaufenthalten unterstützt. Außerdem wird ein Mentoring durch Niedergelassene geboten und ihnen steht das Kooperationsnetzwerk des Instituts für Allgemeinmedizin der LMU zur Verfügung.

Mehr Infos auf der Homepage des Klinikums

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